„Schall + Rau(s)ch“: Dunstkreis der Dosierung

Wann

30.03.2024    
diverse Uhrzeiten

Wo

Städtische Galerie Böblingen
Pfarrgasse 2, Böblingen, Baden-Württemberg, 71032, Stuttgart

Veranstaltungstyp

Ausstellung vom 11.11.2023 bis zum 25.05.2024

Ausgehend von der zwischen 1938 und 1944 entstandenen Stammtisch-Serie des Malers Fritz Steisslinger und dem 1926 im Stil der Neuen Sachlichkeit gemalten Werk »Der Raucher« von Tell Geck, so wie bezugnehmend auf die tagespolitischen Diskussionen um die Legalisierung von Cannabis positioniert sich die Ausstellung am Puls der Zeit: Bewusst abseits des Mainstreams und pionierhaft im deutschsprachigen Raum richtet die Städtische Galerie Böblingen eine Sonderausstellung zur gesellschaftsrelevanten Thematik »Rauschzustände und Drogenkonsum« aus.

Mit 29 aktuellen und 6 klassischen Positionen wird durch den künstlerischen Spiegel ein kulturhistorischer Bogen gespannt, in welchem die facettenreiche(n) Geschichte(n) von Genuss-, Heil-, Doping-, Kampf-, Rau(s)ch- und Suchtmitteln sowie die Formen ihrer Dosierungen von der letzten Jahrhundertwende bis in die Jetztzeit erzählt wird. Im Zentrum steht die These der tief im Menschen verwurzelten Suche nach Seinszuständen außerhalb des gewohnten Alltags. Dabei werden die Arbeiten der Klassischen Moderne mit brandaktuellen, hochbrisanten und neuentdeckten Kunstschaffenden in Bezug gebracht. Die vielfältigen Anwendungsbereiche und der legale wie illegale Gebrauch von pflanzlichen, pharmazeutischen und/oder im Labor produzierten synthetischen Präparaten zeigt, dass das Konsumieren von Drogen aller Art kein marginales Phänomen darstellt, sondern in allen Schichten der Gesellschaft angekommen ist. Vor allem die 1920er-Jahre stellen sich als zwischen Elend, Euphorie und Ekstase schwankende, von Dekadenz durchzogene Zwischenkriegszeit heraus, in der sowohl exzessiv den Berau(s)chungen gefrönt wurde, die sich aber auch als (pseudo-)wissenschaftliches Experimentierfeld für pharmakologische und medizinische Forschungen erwiesen. In Chemielaboren wurden ab den 1930er-Jahren Arznei- und Aufputschmittel erschaffen; so etwa Pervitin – damals als »Panzerschokolade «, heute als Crystal Meth (C10H15N) bekannt –, ein starker Stoff, der den in den Kampf ziehenden Soldaten zugeteilt wurde und erst in den 1980er-Jahren aus den Regalen der bundesdeutschen Apotheken verschwand.

Die Gruppenschau eröffnet eine »Welt voller Drogen« und lotet die Erfahrungsräume »Erforschung«, »Experiment« und »Emotion« aus, indem sie ausstellungsarchitektonisch als ein interaktiv-partizipatives Versuchslabor samt immersiven Parcours zum gedanklichen Eintauchen angelegt ist. Ziel ist, die breite wie bunte Palette an bewusstseinserweiternden und -verändernden Substanzen und ihre Wirkungsformen zwischen Halluzinationen und Höhenflügen, Sinnsuche und Suchtverhalten aufzuzeigen sowie Menschen aller Altersstufen ohne mahnenden Zeigefinger für die Problematik zu sensibilisieren. Durch die auf die Räumlichkeiten des Böblinger Museums ortsspezifisch ausgerichteten, außergewöhnlichen Installationen gelingt es, ausgehend vom jeweiligen Zeitkontext den Wandlungen der stimulierenden, gesundheits- oder abhängigkeitsfördernden Rauschmittel und -giften nachzuspüren, auf lebendige Weise nachempfindbar zu machen sowie zur Disposition zu stellen.

Öffnungszeiten: Mi-Fr 15-18 Uhr, Sa 13-18 Uhr, So und Fei 11-17 Uhr