Luigi Colani. Popstar des Designs

Design-Visionär und Design-Revolutionär, der Name Luigi Colani steht wie kein anderer für neue deutsche Designkultur. In ihrer Winterausstellung präsentiert die Galerie Stihl Waiblingen den Designer Luigi Colani, der 2019 verstorben ist. Gerade Linien und Ecken sucht man vergebens in Colanis Werk; die Natur inspirierte Colani zu runden und organische Formen oder wie es Colani auf den Punkt brachte: „90% Natur, 10% Colani“. Mit seinen knallig bunten Kunststoffmöbeln entwickelte sich Colani in den 70er Jahren zum Popstar des Designs. Von Alltagsgegenständen wie Brillen und Teeservices über Sitzmöbel bis hin zu aerodynamischen Autos und Flugzeugen, Colani widmete sich allen Bereichen des Lebens, um den Menschen das Leben mit seinen Ideen zu erleichtern. Er war mit seinen Visionen seiner Zeit weit voraus. Ab dem 18. November sind in der Galerie Stihl Entwurfszeichnungen und Skizzen von Prototypen von der Hand Colanis im Dialog mit Möbelstücken und einzigartigen Designobjekten zusehen.

Entwurfszeichnung Colani C 112 (Vorschlag für Mercedes), 1970, Kreide auf Karton, Sammlung Siekmann Berlin © Colani Design Germany GmbH, Foto: Katja Clos

In den 1960er Jahren avancierte Luigi Colani (1928-2019) zu einem der einflussreichsten deutschen Industriedesigner. Er rebellierte mit seinen knallbunten Kunststoffobjekten in runden und futuristischen Formen gegen das deutsche minimalistische Design der Nachkriegszeit. Colani gelang es nicht nur aufgrund seiner Schöpfungen, sondern mit seinem Namen, als Marke bekannt zu werden und als Urheber seiner Produkte aufzutreten. Alle seine Werke tragen seine Signatur: den Colani-Schriftzug und später das Signet mit charakteristischem Colani-Portrait. Er inszenierte sich als Schlossherr mit Schnauzer, weißer Kleidung und Zigarre oder als Jäger von Geschwindigkeitsrekorden mit aerodynamischen Fahrzeugen und etablierte sich mit kantigen Sprüchen als Popstar des Designs.

Überraschend muten, neben dem Popstar-Image, die weiteren Facetten des Designers an. Bereits als Kleinkind schuf Colani erste plastische Objekte und gestaltete sein Spielzeug selbst. Ein Studium der Bildhauerei und Malerei an der Berliner Hochschule der Künste brach der gebürtige Berliner ab. Es zog ihn nach Paris an die Sorbonne. Hier, an der ältesten Universität Frankreichs, studierte Luigi Colani Aerodynamik und erlernte die Grundlagen für sein Biodesign, wie er seine ureigene spätere Formensprache nannte. Ergonomische und die von der Natur inspirierten runden und organischen Formen kennzeichnen das Biodesign, das, wie Colani sagte, „Neunzig Prozent Natur und zehn Prozent Colani – höchstens!“ beinhaltete. Dieser Anspruch offenbart sich in der Schau: Sie zeigt über alle Ausstellungssektionen hinaus die von runden Formen dominierten Objekte, weder gerade Linien noch Ecken und Winkel werden sichtbar.

Luigi Colani, Sessel-Plastik (Prototyp), 1965, Sammlung Siekmann Berlin © Colani Design Germany GmbH,, Foto: Colya Zucker

Im Mittelpunkt von Colanis Ideen steht sein Manifest YLEM (griech. „Urmaterie“) aus dem Jahr 1971. Darin entwickelte Luigi Colani auf 120 losen Blättern eine allumfassende Designtheorie des Lebens und der Zukunft des Menschen. Das YLEM setzt sich aus Zeichnungen und Fotografien sowie erläuternden Texten zu den Abbildungen zusammen. Ausgehend vom YLEM und dessen Aufteilung in Themenblöcke, wie beispielsweise Wohnen, Gesellschaft oder Auto, sind verschiedene Ausstellungssektionen abgeleitet. Die YLEM-Blätter führen durch die Inhalte der Schau und sind neben weiteren Entwürfen im Original zu sehen.

Es verblüfft immer wieder, wie lebensnah und gleichzeitig visionär das YLEM ist. So hat Colani mit seinen Vorhersagen die gegenwärtige Wirklichkeit oftmals vorweggenommen; früh entwarf er beispielsweise ein elektronisch angetriebenes Minifahrzeug oder prognostizierte das Ende des klassischen Automobils. Gleichzeitig bleibt, fasziniert von Geschwindigkeit und Aerodynamik, Colanis Leidenschaft für Fahrzeuge, ob zu Land, zu Wasser oder in der Luft, bis zu seinem Lebensende bestehen. In der Ausstellung findet sich seine Begeisterung in Fahrzeugentwürfen, 3D-Modellen und original Colani-Fahrzeugen wieder.

Die Schau reicht von ersten Entwürfen Luigi Colanis bis in die 2000er Jahre und umfasst dabei spektakuläre Objekte, so einen Colani-GT Sportwagen aus den 1960er Jahren. Sie werden ergänzt um eine Vielzahl von originalen Entwürfen und Zeichnungen aus einer Privatsammlung. Der Dialog von Objekten und angewandten Zeichnungen gibt einen Einblick in das wegweisende Form- und Designverständnis Luigi Colanis, des Popstars des Designs. Mit seinen ikonischen Designs ist er weltweit in Sammlungen, wie dem MoMA New York, vertreten.

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Öffentliche Urteilskräfte
und ihr Literaturarchiv

Lesen Sie ihren spannenden Exkurs in die literarische Welt, über Meinungen, deren Protagonisten, über Auswirkungen, Geschmacksbildung, Geisteshaltungen der letzten 300 Jahre bis heute

›Öffentliche Urteilskräfte und ihr Literaturarchiv‹. 

Urteilskraft – so hieß das Zauberwort der Aufklärung. Wer über Urteilskraft verfügte, konnte als mündiger Bürger unter Bürgern gelten. Aus solchen Bürgern entstand die Öffentlichkeit: die Wiege von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Diese Öffentlichkeit galt als moralischer Höhepunkt der Zivilisation, als Geburtsstätte der modernen Demokratie, als Polis des 18. Jahrhunderts. Geistig trug man Toga. Die aufgeklärte Öffentlichkeit beruhte auf der Urteilskraft im Singular: auf der einen unteilbaren Urteilskraft. Vernunft war ihre Quelle. Das beste Argument ihr Weg, der weiße christliche Mann ihr Akteur. Durch Erziehung, oder besser: Bildung sollten
Fürsten wie Bauern Philosophen werden. Ohne die Leistungen der Aufklärung wären wir heute nicht, wo wir sind. Doch ihre großen Versprechen wurden vielfach und mit guten Gründen als patriarchal, eurozentrisch, ahistorisch und weltfremd kritisiert. Der Aufklärung gebrach es an Aufklärung. Mit dieser Einsicht gingen und gehen sozialpolitische Prozesse einher: Immer mehr Personengruppen – zunächst die Bürger, die Arbeiter, dann die Frauen und viele andere mehr – beanspruchten Anerkennung. In der Folge haben sich die Öffentlichkeit und ihre Urteilskraft vervielfältigt – mit politisch wünschbaren Effekten. Heute ermöglicht die Vielzahl der Stimmen zwar die Teilhabe am öffentlichen Hörenund Gehört-Werden, aber sie garantiert kein vernünftiges Ergebnis mehr. In gegenwärtigen Öffentlichkeiten regieren viele, darunter nicht wenige halbstarke Urteilskräfte. Sie äußern sich laut und mit polemischer Schärfe in den neuen Medien. Mit ihrer Beschränkungauf wenige Zeichen, ihrer Beschleunigung und Kommerzialisierung von Debatten laden sie zur plakativen Äußerung ein.
Die Urteilskraft wird damit zur Ware, also zur bloßen Meinung verkürzt. Ihr Warencharakter schmilzt die Substanz der Urteilskraft ab: das ausgewogene und unparteiliche Abwägen von Argumenten, Gründen, Sichtweisen, Gefühlslagen, Unausgesprochenem und allzumenschlichen Menscheleien. Diese umfassende Einsicht machte die Urteilskraft einstmals überhaupt erst zur Grundlage der Aufklärung. Wie lassen sich die Tugenden der Urteilskraft wiederbeleben?

Der Blick zurück ins 18. Jahrhundert erweist sich als lehrreich. Unser aufklärerischer Gründungsmythos war zu einfach und einlinig erzählt. Vielmehr kannte schon die Aufklärung ihre Gegenaufklärung. Der erste prominente Denker der Urteilskraft gibt darüber Auskunft: der französische Protestant Pierre Bayle. Im Jahr 1697 veröffentlichte er sein „Historisches und kritisches Wörterbuch“. Es sollte schon deshalb Epoche machen, weil es kein Wörterbuch im Sinne eines reinen Nachschlagewerkes war. Bayle stellt historische Personen wie den Religionsstifter Mohammed und die griechische Hetäre Laïs vor. Der Blick in Bayles Artikel überrascht, denn der Haupttext dieser Artikel umfasst oft nur wenige Sätze. Dafür finden sich auf jeder Seite unzählige Fußnoten. In diesen Fußnoten passiert der aufklärerische Schreibakt: Bayle stellt unterschiedliche Einschätzungen vor und diskutiert sie mit Verve. Mohammed beispielsweise gilt ihm zwar als „falscher Prophet“, aber die Lügen, die über ihn im Umlauf sind, erregen Bayle so sehr, dass er über fünfzig Gelehrte zitiert, um die Äußerungen über Mohammed als Unwahrheiten zu entlarven. Bayle klagt über die Gewaltsamkeit, mit der Mohammed seine Religion etablierte, ebenso wie über seine rigide Gesetzgebung, die Frauen betreffend. Zugleich spürt er einer Behauptung nach, die ihn fasziniert: dass Mohammed nämlich eine Toleranzschrift für den Umgang mit anderen Religionen verfasst habe. Bayles Eintrag über Laïs hingegen lässt schmunzeln. Durch genaue Exegese der Quellen erörtert er, wieviele Liebhaber die kluge und schöne Laïs hatte und welcher Gelehrte wie viele davon zählte. Außerdem gibt Diogenes, der Philosoph, der angeblich wie ein Hund in einer Tonne lebte, ein ungelöstes Rätsel auf: Ausgerechnet er, der Kyniker, betete die besagte Dame ganz unzynisch an, und Bayle hätte wohl zu gern gewusst, ob dies nur deshalb geschah, weil sie sich ihm angeblich ohne Entlohnung hingab.

Sandra Richter, Pressefoto © Literaturarchiv Marbach

Der Leser möge über Fälle wie diese urteilen, so Bayles Forderung, und zwar unparteiisch. Bayle meinte mit ‚dem Leser‘ übrigens auch Frauen. Und oft waren sie es, die Bayles Wörterbuch in andere Sprachen übersetzen und zu dem machten, was es war: ein scharfsinniges und gewitztes Gründungsdokument der Aufklärung. So handelt es sich beispielsweise bei der deutschen Fassung aus den Jahren 1741 bis 1744 weniger um eine Leistung des damaligen Literaturpapstes Johann Christoph Gottsched, der auf dem Titel als Herausgeber vermerkt ist. Vielmehr hatte seine Frau, die Autorin Luise Adelgunde Victorie Kulmus, mehr als die Hälfte der Bayle-Artikel übertragen. Bayles Werk kann als Archiv zwischen Buchdeckeln gelten, vielstimmig und mitunter radikal. Bayle kritisierte vermeintlich eindeutige ‚Wahrheiten‘ der Geschichte und der zeitgenössischen Gegenwart. Seine Leserinnen und Leser sollten zu diskussionsfreudigen Skeptikern werden – durch Quellenkritik. Urteilen gilt hier nicht mehr wie zuvor als Angelegenheit der Herren auf dem Katheder, sondern als Anforderung an das Publikum bei Hofe, in der Stadt und auf dem Land. Urteilen erscheint als neues Kommunikations- und Lebensideal. Aufklärung und Gegenaufklärung waren Teil eines gemeinsamen Prozesses der Selbstreflexion.

Dieses frühe Bewusstsein für die vielen Urteilskräfte speist sich aus einer Debatte französischen Ursprungs: derjenigen über die Frage, was „guter Geschmack“ sei. „Guter Geschmack“ gehörte zu den Eigenschaften, durch die sich der Adel und die wohlerzogene Bürgerlichkeit gegen untere Schichten abgrenzten. „Guter Geschmack“ bezeichnete vieles: das Tragen standesgemäßer Kleidung ebenso wie die Gabe, angeregt über das Schöne, etwa eine Tragödie von Pierre Corneille zu plaudern. Der Geschmack verriet – wie es der spanische Jesuit Baltasar Gracián in seinem „Handorakel“ zeigte – Herkunft, Schwächen und Absichten eines Menschen. Bezeichnenderweise empfahl „der deutsche Bayle“, der Jurist und Philosoph Christian Thomasius, Graciáns Schrift im Jahr 1687 als ‚französische‘ Geschmackslehre. Ihr sollten die tumben Teutonen künftig nacheifern.

Bayles Wörterbuch leistete vor diesem Hintergrund vieles: Es erzählte salonfähige Geschichten und vermittelte, wie man mit Esprit debattieren konnte. So betrachtet erscheint sein intellektuelles Archiv auch als besonders umfangreiche Klugheitslehre wie als galante Konversationsübung. Aber der „gute Geschmack“ hat seine Tücken. Und diese liegen im Subjekt. Denn Empfindungen des Angenehmen oder Schönen sind unzuverlässig, abhängig vom Betrachter, Hörer und Leser. Als man sich beispielsweise um die Jahrhundertmitte über den ästhetischen Wert der französischen Klassik stritt, setzte sich Gottsched für sie ein: Gottsched erfreuten ihre Ideale, die Wohlanständigkeit und Wahrscheinlichkeit des Dargestellten. Gotthold Ephraim Lessing hingegen wetterte über die Banalisierung der Dramenlehren des Aristoteles, wie er sie vor allem Corneille vorwarf. Rationalisten wie der Mathematiker und Diplomat Jean Pierre de Crousaz sowie die Philosophen Alexander Gottlieb Baumgarten und Georg Friedrich Meier suchten, ästhetische Urteile vernünftig zu begründen. Wer sich am Schönen erfreute, der konnte aus ihrer Sicht auf ‚untere Vernunftvermögen‘ vertrauen. Sie funktionierten ebenso wie die oberen: die Vernunft und der Verstand. Skeptiker wie Bayle hingegen sahen ihre Position durch das unzuverlässige Schöne gerechtfertigt. Auch David Hume goss Wasser in den rationalistischen Wein: Aus seiner Sicht gefällt jedem Menschen etwas aufgrund seiner Erfahrungen und Vorlieben, und diese sind jeweils verschieden. Ästhetische Urteile lassen sich aus seiner Sicht nicht als richtig oder falsch, sondern nur als relativ erweisen. Im Ausgang des 18. Jahrhunderts versuchte Immanuel Kant, den gordischen Knoten Urteilskraft zu lösen. Urteile über das bloß Angenehme erscheinen Kant als subjektiv: Jeder empfinde anderes als angenehm. Der eine bevorzugt schweren Rotwein, der andere spritzigen Riesling. Urteile über das Schöne hingegen dürfen Allgemeingültigkeit beanspruchen und sind (mit Kant) nicht subjektiv. Denn das Schöne – Blumen oder ein Gemälde – gefalle „ohne Begriff allgemein“. Der Grund dafür liegt im „freien Spiel“ der Urteilskräfte.

Der Spielbegriff führt ins Zentrum der trotz Kant noch offenen Probleme, die das Schöne verursachte. Wie viele sogenannte Kant-Schüler deutete unser lokaler Held Friedrich Schiller den philosophischen Urvater munter und eigensinnig um. Schillers Kant-Ausgabe mit Marginalien, deren Abdruck sie auf der Einladungskarte finden, lässt es ahnen. Der Mensch sei nur dort ganz Mensch, wo er spielen, sich interesselos hingeben könne, meint Schiller infolge seiner Kant-Lektüre. So rechtfertigt Schiller vieles: zum einen die Auffassung von der Autonomie der Kunst, einer Kunst, die sich eigengesetzlich und ohne Rücksicht auf Verwendungszwecke entfalten soll. Zum anderen folgert Schiller, dass der Mensch sich nur unter bestimmten Umständen und in kleinen verschworenen Zirkeln öffnen könne. Ihre Mitglieder zeichnen sich nicht durch Geburt und Stand, sondern durch Liebe aus. Sie versöhnen „Sinne und Geist“, Auge und Ohr, verhelfen Vernunft und Schönheit gleichermaßen zu ihrem Recht. Schon für die Natur ist Schönheit ein Lebenselixier: Welcher Vogel bräuchte für den bloßen körperlichen Selbsterhalt ein buntes Federkleid, welcher Baum seine vielen Triebe? Der „reine Schein“ aber, der Schiller idealisch vorschwebt, vermag noch mehr: Er bildet ein eigenes Reich aus, einen „ästhetischen Staat“. Hier herrscht Freiheit, und eine alles harmonisierende Schönheit führt das Zepter. Den Menschen erteilt sie „einen geselligen Charakter“. Mit Schillers Worten: „Die Schönheit allein beglückt alle Welt, und jedes Wesen vergißt seiner Schranken, so lang es ihren Zauber erfährt.“ Schillers ästhetische Vision erscheint so verträumt wie faszinierend und in einem positiven Sinne utopisch.
Das Schöne gilt Schiller als Probierstein und Schule der Urteilskraft. Vor allem aber erweist es sich als Band zwischen den Menschen. Als ein Band, das unterschiedliche Temperamente, Lager und Fraktionen verbindet.

Das Schöne in seinen klassischen wie modernen Formen und seine Urteilskraft werden an einem Ort besonders kultiviert: dem Literaturarchiv. Ein solches Archiv ist keine beliebige Informationsinfrastruktur und auch nicht einfach nur ein Dienstleister für seine Nutzer. Vielmehr urteilt so ein Literaturarchiv selbst: Es archiviert, was es für bewahrenswert hält, kassiert, was nach Prüfung nicht dazugehört, erschließt, was zugänglich gemacht werden soll, und lehnt ab, was für dieses spezifische Archiv ungeeignet scheint. Auf diese Weise steht ein Literaturarchiv in direktem Kontakt mit der Ewigkeit. Es fällt ein folgenreiches Urteil über einen Autor und seinen Vor- oder Nachlass – aber eben nur ein Urteil. Konkurrierende Auffassungen gehören dazu. Deshalb handelt es sich etwa beim Deutschen Literaturarchiv Marbach um eine sich selbst notwendigerweise stetig reflektierende Einrichtung: um ein öffentliches Forschungsarchiv, das aus Abstimmungsprozessen heraus handelt und zwar kooperativ mit ähnlichen Institutionen, mit Literaturvermittlern wie Publizisten und Literaturhäusern, Wissenschaftlern und dem Publikum.
Die Urteilskräfte, die dabei am Werk sind, orientieren sich an Kriterien von ästhetischer Eigenheit und geistesgeschichtlicher Bedeutung sowie an Verblüffungsmomenten, die von einem Buch, einem Essay, einer klugen Polemik ausgehen. Nach Marbach gelangt, was sich durchgesetzt hat oder zu Unrecht vernachlässigt wurde, begleitet von der Hoffnung auf unbekanntes Strandgut, der Neugier auf den Zufallsfund.
Archivarische Urteilskräfte wie diese sind an der Quellenkritik à la Bayle geschult. In den reizarmen Kellerräumen des DLA wird giftige Polemik in säurefreie dunkelgrüne Kästen verstaut. Hier liegen Autoren nebeneinander, die sich im wirklichen Leben nichts zu sagen gehabt hätten: Martin Heidegger neben Hermann Hesse. Das Archiv egalisiert: Jeder Nachlass wird hier mit gleicher Sorgfalt behandelt. Streit hebt das Archiv durch Arbeit am Material auf. Zugleich ermöglicht es seine Wiederauflage für die Zeitgenossen, die sich an Ähnlichem reiben wie ihre intellektuellen Ahnen.
Ins Archiv gehen bedeutet: den handwerklichen Umgang mit Kulturgut schulen, sich durch die Auseinandersetzung mit schwierigen Handschriften wie etwa denjenigen Hölderlins in Geduld üben, im Vergleich von publizierten und nicht-publizierten, laut und leise gelesenen Werken Unterschiede entdecken. Lauscht man etwa der Aufnahme von „Manche freilich müssen drunten sterben“ aus dem Munde des Autors Hugo von Hofmannsthal, dann klingt sein Gedicht wie ein Lied von Galeerensklaven. Aus der Textversion lässt sich dies nicht ohne weiteres heraushören. Das Archiv – das DLA mit seinen 1.400 Vor- und Nachlässen, seinen 36 Verlagsarchiven, seinem über 100jährigen Tonarchiv der Literatur und seinen über 450.000 Bildern und Objekten – schult nicht nur das Lesen, sondern auch das Hören und Sehen.

Um diese sinnliche Fülle wahrnehmen zu können, bedarf es nicht nur der Quellenkritik, sondern auch der schillerschen, spielerischen Offenheit: Erst die Begeisterung für die Bestände, die Begeisterung für den so reizvollen, oft sperrigen und widerborstigen Gegenstand Literatur machen ein Literaturarchiv zu einem solchen. Und diese Begeisterung gebiert Fragen und Forschung. „Bestandsbezogene Forschung“ hat die Wissenschaftspolitik diesen Vorgang getauft und mit dem Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel ein wichtiges Experiment begonnen. „Bestandsbezug“ aber ist ein so nüchterner wie schillernder Begriff. Die Sammlungen des DLA regen Fragen an, geben sie jedoch nicht vor. Was in unseren Kellern liegt, lässt sich selten als eine vollständige und durchkomponierte Sammlung beschreiben. Epistemologisch ist wohl jede Sammlung unterbestimmt. Fragen und Forschungen im Archiv sind dem Bestand gewidmet und umspielen ihn zugleich. Das Archiv des Cotta-Verlags beispielsweise erweist sich erst einmal als unübersichtliche Summe von Briefwechseln, Manuskripten und Druckwerken. Sein Material strahlt durch bestandstranszendierende Fragen nach der persona von Autor und Verlegermäzen oder nach den transatlantischen, ja globalen Literaturbeziehungen, die der wirkungsmächtige Verlag einging. Solches Material legt es umgekehrt nahe, in der Forschung den Kurs zu wechseln: Nicht erst heute haben wir es mit internationalen Literaturmärkten zu tun; das Cotta-Archiv zeigt, dass Vernetzungen wie diese Literatur frühzeitig zu einem weithin bekannten Kulturgut machten. Heute können solche Vernetzungen auch im digitalen Raum stattfinden. Wenn wir Texte online verfügbar und vielleicht sogar im Volltext durchsuchbar machen, dann können auch Studierende in China und Afrika mitlesen. Wir sollten digitale Plattformen für Nachlässe wie diejenigen Franz Kafkas, Else Lasker-Schülers oder Stefan Zweigs aufbauen, die in unterschiedlichen Archiven liegen, um sie zumindest virtuell an einem Ort zugänglich zu machen. Wir müssen uns dem widmen, was in die Gegenwart hineinwachsende Archive zunehmend beschäftigt: dem Umgang mit Born-digitals, solcher Literatur, die meist kein Manuskript mehr kennt, sondern direkt auf dem Computer geschrieben wurde. Dank einer großzügigen Förderung des Landes Baden-Württemberg für ein Science Data Center Born-digitals können wir diesem Auftrag
künftig gemeinsam mit Partnern der Universität Stuttgart und des Bundeshöchstleistungsrechenzentrums Stuttgart besser nachkommen. Wenn ein Literaturarchiv wie das DLA seiner Öffentlichkeit etwas mitteilen kann und will, dann ist es seine „heilignüchterne“ Begeisterung, die aus Bestandskenntnis und fragender, forschender Neugier erwächst. Diese Begeisterung kann ebenso ernst wie witzig oder ironisch gebrochen sein und kennt eine große Bandbreite von Wahrnehmungs- und Zugangsweisen: das Staunen, Lachen, Weinen über einen Text ebenso wie die Spekulation, den scharfen analytischen Blick, die empirische Studie oder das Experiment.
Denn das Archiv bietet nicht nur Manuskripte und Briefe, sondern verzeichnet in seinen Büchern auch Lesespuren und handschriftliche Glossen. Realexistierende Leser, über die wir im Zeitalter des vielzitierten „Leseschwunds“ gerne mehr wüssten, dokumentieren sich hier selbst. Mit Partnern wie dem Leibniz-Institut für Wissensmedien und Kollegen der Universität Tübingen, dem Max Planck-Institut für Empirische Ästhetik und dem Goethe-Haus Frankfurt gründet das DLA deshalb gerade ein „Netzwerk literarische Erfahrung“. Gemeinsam wollen wir das Leseverhalten unserer Besucher, ihre Herkunft und ihre Vorlieben erforschen. Wir wollen mit unseren Mitteln dazu beitragen, die Lesekultur wiederzubeleben. Zu diesem Zweck wird das DLA mitunter auch den Raum wechseln, um zu fragen, ob Literatur in der Peripherie anders als etwa in der Hauptstadt wirkt. Die Begeisterung aus dem Archiv hilft dabei auf ihre eigene Weise. Denn manchmal erlaubt sie etwas ganz Besonderes, viel zu oft Vernachlässigtes: den Genuss, den Schiller arbeitsethisch als Folge und Bedingung von Tätigkeit beschreibt, die Muße, ohne die man nicht auf andere Gedanken kommt, und den Mut zu geistreichem Unsinn, aus dem mitunter erst Sinn entsteht.

So feinsinnig das klingt, ist das Archiv aber doch keine Pilgerstätte der Entschleunigung, sondern vielmehr ein Brennglas der Vergleichzeitigung. Hier wird Vergangenheit gegenwärtig, und die Gegenwart historisiert sich: Autoren geben ihre Nachlässe nicht deshalb ins Archiv, weil sie hier ihre letzte Ruhe finden wollen. Vielmehr hoffen sie auf das, was einst anschaulich Nachleben hieß und heute kühl Aktualisierung getauft wird. In den Museen des Archivs finden sich die kombinatorischen Zeichenspiele Wilhelm Waiblingers schon deshalb neben Hans Magnus Enzensbergers Poesieautomaten. Was aus der Zukunft der Literatur in das Brennglas des Archivs strahlen wird, können wir heute nur schemenhaft erahnen. Aber einiges lässt sich mit ahistorischer Sicherheit vermuten: Heute hätte Christoph Martin Wieland seinen „Agathon“ möglicherweise als Blog-Tagebuch verfasst, um seinen Helden mit liebevoller Ironie am Versuch der Selbstbildung scheitern zu lassen. Schillers „Räuber“ wären vielleicht ein Computerspiel geworden, ein Adventure-Game. Und aus Goethes Twitter-Meldungen über seine „Italienische Reise“ klänge der enthusiastische Ausruf: ‚Nach Tisch ohne Begleiter auf das Kapitol, oder besser: gleich ins Archiv. Wie wahr, wie seiend!‘ Der Begriff Archiv kommt bekanntlich von arché, griechisch: Anfang oder Ursprung. Hier ist der Ort, wo sich Schillers „ganzer Menschen“ immer wieder neu bilden kann.
Literaturarchive sind nicht bloß Luxustempel, die man sich auch leistet. Literaturarchive sind unverzichtbare Kulturorte. Sie bewahren, vermitteln und befragen die Erzählungen, Dramen und Verse, die Argumente und Denkformen, die Werte und Werturteilsstreitigkeiten, die unser Wahrnehmen und Entscheiden geprägt haben. In einer Zeit, die durch die Flüchtigkeit ihrer digitalen Aufschreibesysteme gekennzeichnet ist, versorgen sie unser kulturelles Gedächtnis mit Texten, Tönen und
Bildern. Aus einem solchen tätigen und reflexiven Gedächtnis erst entstehen die geistigen Grundlagen unserer Zivilisation: die Urteilskräfte, derer wir und künftige Generationen dringend bedürfen.

Sandra Richter widmete sich am Abend ihrer feierlichen Amtseinführung  in ihrer Ansprache dem Thema ›Öffentliche Urteilskräfte und ihr Literaturarchiv‹. Die Zuschauer hörten einen fulminanten Exkurs in die literarische Welt, über Meinungen, deren Protagonisten, über Auswirkungen, Geschmacksbildung, Geisteshaltungen der letzten 300 Jahre bis heute.

›Öffentliche Urteilskräfte und ihr Literaturarchiv‹.
Antrittsrede Prof. Dr. Richter

Sandra Richter  gilt als hervorragende Kennerin der Wissenschaftspolitik und des literarischen Lebens: Fellowships und Gastprofessuren führten die vielfach ausgezeichnete Wissenschaftlerin an zahlreiche Universitäten, u.a. an die École normale supérieure in Paris und die Harvard University; von 2011 bis 2017 war sie Mitglied in der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrats. In den Jahren 2006/07 hatte Richter eine Professur am King’s College London inne; seit 2008 lehrt sie an der Universität Stuttgart Neuere Deutsche Literatur und hat dort die fakultätsübergreifende Forschungseinrichtung ›Stuttgart Research Centre for Text Studies‹ (seit 2014) entwickelt und verschiedene interdisziplinäre Forschungsprojekte geleitet. Ihr jüngstes, vielbeachtetes Buch Eine Weltgeschichte der deutschsprachigen Literatur (2017) erkundet umfassend, auf welche Weise literarische Traditionen über die Jahrhunderte interkulturell geprägt sind. Richter ist Amtsnachfolgerin des Historikers und Publizisten Professor Dr. Ulrich Raulff, der das Haus von 2004 bis Ende 2018 geleitet hatte.

Das Deutsche Literaturarchiv Marbach (DLA) ist eine der bedeutendsten Literaturinstitutionen weltweit. In seinen Sammlungen vereinigt und bewahrt es eine Fülle kostbarster Quellen der Literatur- und Geistesgeschichte von 1750 bis zur Gegenwart. Seit seiner Gründung im Jahr 1955 dient es der Literatur, der Bildung und der Forschung. Die Sammlungen stehen allen offen, die Quellenforschung betreiben. Mit rund 1.400 Nachlässen und Sammlungen von Schriftstellern und Gelehrten, Archiven literarischer Verlage und über 450.000 bildlichen und gegenständlichen Stücken gehört das Archiv zu den führenden seiner Art in Deutschland und der Welt. Die Bibliothek ist die größte Spezialsammlung zur neueren deutschen Literatur und umfasst etwa 1 Millionen Bände, daneben über 160 Autoren- und Sammlerbibliotheken.
Das DLA führt gemeinsam mit anderen Institutionen und Universitäten interdisziplinäre und internationale Forschungsprojekte durch, die aus Drittmitteln gefördert werden.
Die Ausstellungen in den Museen des DLA, dem Schiller-Nationalmuseum und Literaturmuseum der Moderne, zeigen die Handschriften, Bücher, Bilder und Gegenstände des Deutschen Literaturarchivs. Die Museen, literarische und wissenschaftliche Veranstaltungen sowie eine Vielzahl von Publikationen thematisieren aktuelle Fragestellungen aus Literatur und Wissenschaft und machen die einzigartigen Archivalien einem großen Publikum zugänglich. Internationale Begegnungen ermöglicht zudem das Collegienhaus für forschende Gäste, Autorinnen und Autoren und Stipendiatinnen und Stipendiaten.

Olivia Trummer

Olivia Trummer ist ein echtes Allroundtalent, denn sie ist nicht nur eine exzellente Jazzpianistin und Sängerin, sondern auch eine äußerst begabte Improvisateurin, Songwriterin und Komponistin. Klar ist – die klassisch ausgebildete Pianistin ist eine Wanderin zwischen verschiedenen
Welten: musikalisch – mit Jazzarrangements, die auch vor Werken Bachs und Mozarts nicht Halt machen – wie räumlich. Seit mehreren Jahren bewegt sich die Künstlerin mit Stuttgarter Wurzeln im Spannungsfeld der beiden Metropolen New York und Berlin.
Durch ihre klassische Klavierausbildung bekam sie in ihrer Jugend einen intensiven Bezug zur klassischen Musik und konnte langjährige Erfahrungen als Konzertpianistin sammeln. Sie lernte anfangs sämtliche Musik übers Gehör und verbrachte so – mit ihren Worten formuliert – ihre Kindheit in einem „musikalischen Paradies“, das nur aus Klang, Geschmack und Intuition bestand. Von Mozart zu Stevie Wonder, von Debussy zu Bill Evans, von Bach zu den Beatles schien es jeweils nur ein Katzensprung. Durch diesen natürlichen Zugang zur Musik hat Trummer zu einem ganz eigenen Stil gefunden. Mit ihren eigenen Songs will sie vor allem eines: Geschichten erzählen. Und so lässt sie auch in ihrer CD „Fly Now“ sehr persönliche Einblicke in ihre Künstlerpsyche zu. Das gilt insbesondere für ihre langsamen Balladen, über deren Entstehung sie sagt „Das Bild das ich vor mir sah, war für mich visuell wie emotional so klar und dazu eindeutig mit meiner persönlichen Situation verbunden, dass ich den ganzen Song in nur 30 Minuten zu Papier gebracht habe: Ein Mensch erwacht wie aus einem Traum und findet sich unversehens auf dem Gipfel eines hohen Berges wieder. Er sieht sich vor die Wahl gestellt, sich entweder der Weite des Himmels zu öffnen oder den Weg zurück ins sichere Tal anzutreten und entscheidet sich mutig für den Aufbruch…“ und auch die anderen Stücke auf der „Fly Now“-CD leben von eben dieser Aufbruchsstimmung und davon, die Welt „von oben“, sozusagen vom Himmel aus zu betrachten. Musikalisch pendeln die Stücke dabei zwischen lyrischem Jazz und zeitgenössischem Vokaljazz mit starken Melodien und prägnanten Rhythmen. Aufgenommen in New York mit ihrer Trio-Formation, Obed Calvaire am Schlagzeug, Matt Penman am Kontrabass und Gastmusiker Kurt Rosenwinkel an der E-Gitarre, spürt man einerseits die Intensität und das lärmende Dickicht des Big Apple, andererseits aber auch eine ruhige, nuancenreich erlebte Urbanität wie aus der Vogelperspektive. Insgesamt neun eigene Songs enthält das englischsprachige Album. Über ihre New Yorker Aufenthalte sagt die 29-Jährige: „Ich habe wie ein Schwamm sämtliche Eindrücke aufgesogen. Ich habe viel erlebt und mich dabei von einer ganz neuen, selbstbewussten Seite kennenlernen dürfen. Ich bin im besten Sinne‚flügge‘ geworden. Diese Zeit war eine der intensivsten, aufregendsten Zeiten meines Lebens!“ C2J – Classical To Jazz heißt ein anderes Projekt, das in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Vibraphonisten Jean–Lou Treboux entstanden ist. Inspiriert durch klassische Klavierwerke von Bach, Mozart und Scarlatti hat Trummer auf geschmackvolle Weise jazzige Arrangements für das Duo kreiert. Die beiden Musiker präsentieren ihr spezielles Repertoire mit großer Spielfreude und Natürlichkeit und sprechen damit ein klassisches Konzertpublikum genauso an wie neugierige Jazzliebhaber.

Olivia Trummer entstammt einer Musikerfamilie und wurde fünf Mal bei Jugend musiziert als Bundespreisträgerin gewürdigt. Ab 2003 studierte sie Jazzpiano sowie klassisches Klavier an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart. 2008/2009 absolvierte sie ein Masterstudium a der Manhattan School of Music. Alle Studiengänge schloss sie mit Auszeichnung ab. Bereits während ihres Studiums erhielt sie 2004 und 2006 Kompositionsaufträge für Bühnen- und Filmmusik. Trummer war fünffache Bundespreisträgerin bei Jugend musiziert, 2. Preisträgerin beim internationalen Klavierwettbewerb „Palma D‘Oro/ltalien 2008, DAAD-Stipendiatin 2009, Stipendiatin der Kunststiftung Baden-Württemberg und der Bruno-Frey-Stiftung 2010. Seit Herbst 2013 ist sie „stA.rt“-jazz-Künstlerin von Bayer Kultur in Leverkusen, deren Förderung ihr uter anderem die Aufnahme ihrer neuen CD ermöglicht hat. Konzerte als Jazz-und Klassikpianistin, Vokalistin und Komponistin führten sie bereits auf Bühnen in New York (Carnegie Hall, The Jazz Standard), Wien (Konzerthaus, Porgy & Bess), London, Dublin (National Concert Hall), Paris (Jazzclub „Le Baiser Sale“) sowie nach Schloss Elmau, Berlin (Konzerthaus), Hamburg (Laeiszhalle) und auf zahlreiche Festivals im In- und Ausland.

Aktuelles  Album „For You“

Mit entwaffnend klarer, direkter und kristallgoldener Stimme lädt Olivia Trummer elf Song-Kapitel weit zum vielschichtigen Betrachten und Lauschen einer Geschichte ein, die ihre eigene sein könnte. „For You“ hat sie die Storyline genannt, deren Narrativ unaufgeregt an die Imagination der Zuhörer appelliert.

Mehr über die Künstlerin erfährt man auf ihrer Website www.oliviatrummer.de

Olivia Trummer / Presse-Foto: Dietmar Scholz

Filmschau Baden-Württemberg

Die Filmschau Baden-Württemberg ist das Schaufenster für aktuelle Filmproduktionen aus dem Südwesten. Die Filmschau Baden-Württemberg findet einmal im Jahr statt. Sie soll Bürgern, Filmemachern, Filmschaffenden, Produzenten und allen Liebhabern des Films ein gemeinsames Austauschforum bieten. Das publikumsorientierte Festival zeigt aktuelle Filmproduktionen aus „dem Ländle“ aus den Bereichen Spielfilm, Kurzspielfilm, Dokumentar- und Animationsfilm. Das breitgefächertes, unterhaltsames und informatives Programm richtet sich sowohl an Filmschaffende, als auch an Cineasten. Um den Austausch zwischen den Generationen zu fördern, findet das Nachwuchsfilmfestival Wettbewerb um den Jugendfilmpreis, das sich an Filmemacher bis 22 Jahre richtet, parallel zur Filmschau statt.


Logo/Key Visual der Filmschau BW

Mehr Info und das aktuelle Programm: Filmbüro Baden-Württemberg e.V., Friedrichstraße 37, 70174 Stuttgart, Fon 0711/22 10 67, E-Mail: info@filmbuerobw.de, www.filmschaubw.de

Dan Ettinger


Der israelische Dirigent Dan Ettinger ist seit 2015 Chefdirigent der Stuttgarter Philharmoniker. Mit ihm hat das Orchester einen musikalischen Leiter von internationalem Format bekommen, dessen Karriere ihn in wenigen Jahren unter anderem an die Staatsopern in Berlin, Hamburg, München und Wien, das Royal Opera House Covent Garden in London und die Metropolitan Opera in New York geführt hat. Einige Jahren war er zudem Chefdirigent des Nationaltheaters Mannheim und so bereits in Baden-Württemberg beheimatet. Wir trafen Dan Ettinger zum Gesprächsaustausch.

Man hörte der berühmte Funke zwischen Ihnen und dem Orchester sei gleich bei der ersten gemeinsamen Probe übergesprungen, würden sagen, es war Liebe auf den ersten Blick?

Ich hatte bisher fast nur reine Opernorchester geleitet. Im Gegensatz zu den reinen Sinfonieorchestern sind sie oftmals flexibler und reagieren lebendiger und spontaner, was zum einen am Opernbetrieb liegt, an der besonderen Bühnensituation und natürlich an den Sängern. Diese Art des Musizierens entspricht auch meinem Naturell. Und dann lernte ich die Stuttgarter Philharmoniker kennen und stellte fest, dass sie all diese Eigenschaften dennoch haben. Wir haben uns musikalisch sofort auf einer Wellenlänge bewegt. Es war fast magisch …

Wie würden Sie Ihren Dirigierstil bezeichnen?
Ich benutze meinen ganzen Körper, um etwas zu beschreiben, als ob das ganz Orchester mein Instrument wäre. Ich bin kein distanzierter Typ. Natürlich studiere ich alle Werke sehr sorgfältig ein, lege Wert auf Präzision und Details, aber im Konzert sollte dann trotzdem noch genügend Raum für Entwicklung und neue Farben sein. Ich bin ein Klangdirigent – der Klang ist für mich das Wichtigste. Wenn ich eine Partitur studiere, höre ich vor meinem inneren Ohr bereits den Klang, wie er nach meiner Auffassung sein müsste. Klangfarben entwickeln sich aber auch aus dem richtigen Tempo und der richtigen Artikulation.

Daniel Barenboim war Ihr Mentor, Sie waren sein Assistent an der Staatskapelle Berlin. Was haben Sie von ihm gelernt?
Während meiner Zeit in Berlin habe ich circa 50 Abende im Jahr Opern dirigiert. Von Barenboim habe ich vor allem durch Beobachten und Zuhören gelernt. „Sein“ Orchester zu dirigieren, war der beste Unterricht in puncto Klang, Phrasierung und Technik. In der ersten Konzertsaison in Stuttgart liegt der Schwerpunkt auf Beethoven in der Gegenüberstellung mit Russland; daneben finden sich Wagner und Mahler. Große Sinfonik, Klassik und Romantik – wie bereiten Sie sich auf Proben und Konzerte vor?
Ich schaue die Partitur an, aber auch in die Literatur über den jeweiligen Komponisten. Natürlich höre ich mir auch CDs von Kollegen an, wenn ich mich auf ein Stück vorbereite. Ich glaube es ist wichtig zu wissen, wie andere interpretieren. Aber ich glaube jeder von uns trägt seine ureigene Fassung schon in sich, insofern besteht keine Gefahr etwas nachahmen zu wollen. Würden Sie sagen, dass sich wie unsere Welt auch die Art und Weise, wie man ein Stück interpretiert, ändert?
Jede Zeit hat ihre eigenen Geschmack. Wir erleben ja gerade eine große Retrowelle – was den Klang angeht, so bin auch ich eher „old-fashioned“ – Furtwängler, Celibidache oder auch Karajan sind Vorbilder für mich. Wenn ich Musik höre, habe ich viele Metaphern im Kopf und Emotionen – manches kann man in Worte fassen, aber nicht alles. Deshalb muss mit einem Orchester auch die nonverbale Kommunikation funktionieren, die rein intuitive emotionale.

Sie sind ein gefragter Gastdirigent: New York, Tokio, Wien, Salzburg… wie schaffen Sie dieses enorme Pensum?
Ich liebe meinen Beruf und ich bin sehr dankbar dafür, mit den besten Orchestern der Welt konzertieren zu dürfen. Das ist, Glück, Können – und natürlich viel Arbeiten. Geholfen hat mir auf dem Weg dahin sicher, dass ich ein guter Networker bin. Bis Mitte 30 hilft einfach, dass man
jung ist und Kraft hat. Ab Mitte 40 merkt man dann plötzlich, dass man mit seinen Kräften mehr haushalten muss. Ich mache nach wie vor viel, aber ich wähle mehr aus und mache mir Gedanken darüber, in welche Richtung ich gehen will. Gerade habe ich eine meditierende Phase hinter mir – eine Zäsur im Terminkalender, in der ich mir eine Ruhephase gegönnt habe. Ich meditiere sehr viel und ich brauche viel Zeit für mich – ich bin auch gerne nur für mich und liebe mein Zuhause – in diesem Falle meine Wohnung in Mannheim. Ich habe ein Handvoll wirklich guter Freunde mit denen ich oft und gerne Zeit verbringe – sie sind wie Familie für mich. Künftig möchte ich auch versuchen, meine musikalischen Bande zu vertiefen – ich mag die langjährige Zusammenarbeit mit Solisten – weil man sich kennt und bereits gemeinsame musikalische Erfahrungen gemacht hat. Wenn ich in meiner Heimat Israel bin, dann treffe ich Familie, gehe an den Strand und gut essen. Ich bin ein Stadtmensch, ich schaue mir auch auf Reisen gerne Menschen und Geschäfte an, lieber als dass ich in die Natur gehe, denn ich habe eine Insektenphobie!

Haben Sie einen Masterplan was Ihre weitere Karriere angeht?
Ich will einfach weiter „Wachsen“. Ein konkretes Ziel – nein – das habe ich nicht. Aber wissen Sie, ich habe ja auch Dirigieren nie studiert. In Israel war ich Sänger und Pianist, dann wurde ich eher zufällig Chorleiter. Vieles in meinem bisherigen Leben passierte einfach … Ich glaube im Übrigen auch, dass man ein guter Dirigent vor allem durch Praxis
wird, nicht durch Theorie – man braucht 10 Jahre am Pult, um sagen zu können – jetzt habe ich eine Ahnung von dem was ich mache. Ich bin schicksalsgläubig – nicht dass ich passiv wäre – aber ich lasse die Dinge auf mich zukommen: Spiritualität – Repertoire – manches braucht Zeit – jetzt habe ich die Oper „Der ferne Klang“ von Franz Schreker gemacht – vor zehn Jahren hätte ich mir das noch nicht vorstellen können. Deshalb mag ich den Jugendwahn nicht – denn heute muss alles
möglichst schnell gehen.

Wagner gehört zu Ihrem festen Repertoire. In Mannheim haben Sie den kompletten Ring aufgeführt, in Stuttgart stand er als Querschnitt in einer konzertanten Fassung auf dem Konzertplan. Israel und Richard Wagner ist nach wie vor ein schwieriges Thema – wie sehen Sie das?
In Israel ist Wagner immer noch tabu, zumindest im Konzert und im Rundfunk. Ich habe Wagner privat über CDs kennengelernt. Man muss den Mensch und seine Musik voneinander trennen können und den Holocaust und den Nationalsozialismus – dann versteht man wie Großartig seine Musik ist. Wagner und Mozart haben die Musikwelt revolutioniert und beide faszinieren mich gleichermaßen. Ich denke man sollte Wagner wie Mozart und Mozart wie Wagner dirigieren, dramatisch und romantisch und transparent. Mozart war ein Romantiker im Herzen,
der aber eben in einer Zeit lebte, in der es noch engere musikalische und gesellschaftliche Grenzen gab.
Danke für das Gespräch!


Das Konzertprogramm und mehr über das Orchester und Dan Ettinger erfahren Sie hier

Friedemann Vogel

Er ist gefeierter Solist am Stuttgarter Ballett, ein begehrter Gast an vielen Theatern und – ja, dass darf man in aller Bescheidenheit konstatieren – ein Weltstar! Vor kurzem wurde Friedemann Vogel von der Zeitschrift Tanz zum Tänzer des Jahres 2019 ernannt. arsmondo hat mit dem gebürtigen Stuttgarter über seinen Werdegang, seine Arbeitsauffassung und seine Vorlieben, über Rollen, Orte und Menschen gesprochen.

Foto: Carlos Quezada

Sie werden derzeit in Stuttgart für Ihre Rolle in „Mayerling“, dem Handlungsballett von Kenneth MacMillan stürmisch gefeiert.
Es erzählt das tragische Leben und Sterben des letzten Thronfolgers Rudolf im Kaiserreich Österreich des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die Rolle gilt in jeder Hinsicht als extrem schwierig. Wie haben Sie sich auf das Stück vorbereitet?

Für „Mayerling“ hatten wir drei Monate intensive Probenarbeit. Wir hatten dafür sogar ein separates Studio, ein abgeschottetes Resort, in dem wir uns intensiv auf unsere Rollen vorbereitet konnten. Ich habe sehr viel über Rudolf gelesen, mir Verfilmungen angeschaut, Bücher gelesen – zudem gibt es ja so viele Geschichten und Gerüchte, die sich um ihn und seinen Tod ranken. Auch mit den politischen Verhältnisse jener Zeit in Österreich und zur Habsburger Monarchie habe ich mich beschäftigt. Ich habe mich gefragt, wie es ist, als Thronfolger zur Welt zu kommen, in eine lieblose und strenge Welt voller Zwänge, Erwartungen und Pflichten. Rudolf war ein eher sensibler und musischer Mensch und ist an dieser Diskrepanz gescheitert und zerbrochen. Ich wollte seine Persönlichkeit durchdringen, indem ich viel über ihn erfahre und dadurch verstehe, wie er zu dem Menschen wurde. Dazu habe ich mich in ihn hinein zu versetzen versucht, wie er fühlte und welche Haltung er nach außen hin hatte. Ich habe versucht, diesen Keim auch in mir zu finden.

Szene aus „Mayerling“, Foto: Roman Novitzky
Szene aus „Mayerling“ /Choreografie von Kenneth MacMillan mit Elisa Badenes, Friedemann Vogel © Stuttgarter Ballett
Szene aus „Mayerling“ – Choreografie: Kenneth MacMillan, Tänzer/Dancer: Elisa Badenes, Friedemann Vogel
© Stuttgarter Ballett

Wie gelang Ihnen der Zugang zu Rudolfs komplexer Gefühlswelt – nicht nur als Tänzer, sondern auch als Darsteller?
Das Stück ist wie eine Spirale aufgebaut, die sich langsam nach unten dreht – eine Art Abwärtssog. Da muss man emotional voll einsteigen und bis zum Ende der Vorstellung drin bleiben: körperlich und mit allen Sinnen. Als Tänzer ist natürlich das Körperliche der erste Schritt, um in die Gefühlswelt und in den Charakter einer Rolle einzutauchen – man verinnerlicht also über die Bewegung. „Mayerling“ erzählt die Geschichte Rudolfs vor allem auch durch seine Beziehungen zu den Frauen, die ihm nahestanden. Es gibt insgesamt acht Pas-de-deux – so viel wie in keinem anderen Stück –, die die unterschiedlichen Beziehungen charakterisieren. Rudolf ist fast die ganze Zeit auf der Bühne – das ist schon ein Kraftakt, mental und körperlich, in den man hineinwachsen muss. Am Abend der Aufführung kommt es dann jedes Mal zu einzigartigen Begegnung mit meinen Tanzpartnerinnen, es geht um die Tagesform – kein Moment auf der Bühne wiederholt sich emotional. Das heißt, man muss aus dem Moment heraus reagieren, auch wenn man alles geprobt hat, muss man dann aus dem Gefühl heraus agieren – keine Sprünge mehr analysieren, sondern voll und ganz dem Körper vertrauen und loslassen. Nur so kann man eine solche Rolle und ihre Entwicklung auch überzeugend und folgerichtig aufbauen.

Ist das auch bei anderen Rollen in Handlungsballetten so?
Ja, nehmen wir zum Beispiel den Romeo in „Romeo und Julia“: Diese Rolle zu tanzen, ist körperlich auch sehr anstrengend. Aber im Unterschied zu Rudolf gibt die Rolle viel Liebe und Leidenschaft – da kommt also Energie zurück. Bei „Mayerling“ ist es ein Kampf, ein permanentes Ringen. Cranko, Neumeier, McMillan – sind für mich Genies – wahre Meister des Erzählens – sie haben ein intuitives Bewusstsein für die Geschichten, die sie erzählen wollen und entwickeln daraus ihre Choreografien. Bei McMillans Stück gibt es sehr viele Einzeldrehungen und die dann auch noch auf einem Bein – da geht es um Balance, um Gewichtsverteilung. Das muss man sich körperlich hart erarbeiten und man hat zahlreiche Phasen und Momente, die viel Kraft kosten.
Das Tanzen im Kostüm ist eine weitere Herausforderung – wobei die Enge und Schwere der Stoffe auch helfen, sich selbst zurückzunehmen und in die Rolle zu finden. Die Premiere von „Mayerling“ und auch die Vorstellungen bisher habe ich dann aber wirklich genossen, weil ich in die Rolle hineingewachsen bin. Dazu kam das Publikum, das extrem mitgegangen ist – das fühlst Du auf der Bühne und das trägt Dich. Was die Rolle mir tatsächlich abverlangt hat, habe ich allerdings erst bemerkt, als ich eine Woche nach der Premiere den Albrecht in „Giselle“ in Zürich getanzt habe – das fühlte sich plötzlich ganz leicht an – pure Romantik – fast schon schwerelos.

Friedemann Vogel in Romeo und Julia, Choreografie: John Cranko. Julia: Alicia Amatriain, Foto: Stuttgarter Ballett

Orte, Menschen, Rollen – Meilensteine Ihrer Entwicklung?
Sie stammen aus Dettenhausen, einem kleinen Ort zwischen
Tübingen und Stuttgart. Ihre Eltern sind keine Künstler.
Wie wurden Sie zu dem, der sie sind?
Gute Frage…Ich weiß nur, dass ich schon als kleines Kind immer tanzen wollte. Mein elf Jahre älterer Bruder war bereits Tänzer, er war u.a. auch Erster Solist beim Stuttgart Ballett und hat mich von klein auf in viele Vorstellungen mitgenommen. Als Kind habe ich so alle wichtigen Ballette gesehen von Schwanensee bis hin zu Onegin und natürlich auch viele Ballettabende. Ich hatte das Glück, dass ich alle körperlichen Voraussetzungen mitbrachte, die man für den klassischen Tanz braucht.
Entscheidend für mich und meinen weiteren Weg waren dann meine Ausbildung in der John Cranko Schule hier in Stuttgart und das Stipendium an der Académie Princess Grace in Monte Carlo. Marika Besobrasova aus Monte Carlo habe ich viel zu verdanken. Sie war eine berühmte russische Ballettlehrerin, die mit großen Tänzern wie z.B. Nurejew gearbeitet hat. Sie hatte einen ganzheitlichen Lehransatz und sah den ganzen Menschen. Wir Schüler lernten bei ihr nicht nur klassisches Ballett, sondern auch Yoga, Ausdruckstanz, Schauspiel, richtig zu atmen und Improvisation. Sie hat uns gezeigt, wie man auf der Bühne neben Tanzen auch richtig geht. Wissen Sie, als Romeo läuft man anders als in der Rolle des Onegin oder Siegfried, auch das prägt eine ganze Rolle. Sie war in jeglicher Hinsicht formend und hat mir gezeigt, wohin meine Reise führen könnte – übrigens auch privat. Ich war oft bei ihr zu Besuch und habe ihr geholfen, Einladungen vorzubereiten. Von ihr habe ich gelernt, wie man mit Menschen umgeht. Außerdem hat sie mich schon ganz früh allein zu Wettbewerben geschickt. Ich musste alles organisieren, von den Kostümen bis hin zur musikalischen Begleitung. Das war eine Vorbereitung für mein Leben, denn so wurde ich selbstständig. Da ich schon früh in meiner Karriere gastiert habe, kam ich auf Reisen immer gut allein zurecht. Ich brauche bis heute keinen Agenten, der das für mich regelt.

Friedemann Vogel in Onegin, Choreografie: John Cranko,
Foto: Stuttgarter Ballett

Was Rollen betrifft, so war Onegin für mich sicher einer der Meilensteine – ich glaube für viele Tänzer, inklusive mir selbst, ist das ein nahezu heiliges Stück – es stand immer ganz weit oben auf meiner Wunschliste. Vor ein paar Jahren sagt Reid Anderson (Stuttgarter Intendant bis 2018): „Jetzt bist Du bereit, auch den Onegin zu tanzen“. Das war eine Sternstunde für mich. Da hat sich ein Traum erfüllt und zwar genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich hatte die Rolle bis dahin bereits von vielen Tänzern gesehen… – doch in diesem Moment fühlte ich mich tatsächlich selbst reif dafür, Onegin meine ganz eigene Persönlichkeit zu geben.

Sie haben in Ihrem bisherigen Tänzerleben alles erreicht – jetzt sind Sie vierzig Jahre alt. Was würden Sie sich für Ihre Bühnen-Karriere noch wünschen?
Ein ganz neues Ballett zum ersten Mal zu tanzen. Am liebsten ein Handlungsballett. Eine Geschichte zu erzählen – etwas komplett neu aufbauen, was noch nicht da ist, das wäre mein Traum.

Sie sind viel unterwegs gastieren auf der ganzen Welt…
Ja, ich gastiere viel, aber ich bin nicht der Typ, der einfach kommt und tanzt. Ich will meine Tanzpartnerinnen und -partner kennenlernen, gemeinsam proben.

Was darf in ihrem Gepäck nie fehlen?
Meine Ballettschuhe und -trikots, Trainingssachen – seit einmal mein Koffer nicht ankam, packe ich die immer ins Handgepäck. Der Verlust war richtig schlimm für mich. Gerade an anderen Orten will ich meine eigenen Sachen haben und tragen – und meine Ballettschuhe sind mein wichtigstes Werkzeug!

Künstler, die Sie bewundern?
Menschen im allgemeinen und zwar diejenigen, die eine innere Kraft und Stärke ausstrahlen, die Visionen haben, diese unbeirrt verfolgen und andere dafür begeistern können. Solche Menschen bewundere ich und kann ihnen stundenlang zuhören.

Dinge, die Ihnen wichtig sind?
Nichts Materielles – es gibt eigentlich keine Gegenstände, an denen ich so hänge, dass ich sie unbedingt auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Es sind eher Erlebnisse und Menschen.
Ich habe in China einmal verzweifelt nach Wasser mit Kohlensäure gesucht – das gibt es dort so gut wie nicht. Und ich trinke gerne guten Kaffee… Es sind eher die ganz normalen Dinge, an denen ich hänge, die einem Vertrautheit und Heimat vermitteln und die mir dann fehlen, wenn sie plötzlich mal nicht da sind.
Landschaften oder Städte, die Ihnen in Erinnerung bleiben?
Ich liebe Italien. Ich arbeite viel in Rom und Mailand. Diese Städte zu erkunden, durch die alten Gassen und entlang wunderbarer Bauwerke zu schlendern, das liebe ich. Ebenso wie mit Leuten aus der Compagnie nach Proben und Vorstellungen noch essen zu gehen. Wichtiger aber als die Städte selbst sind für mich die Tanzcompagnien. Zum Beispiel Helsinki – für mich keine sonderlich schöne Stadt – aber das Tanzen war großartig und die Menschen erst, da bleiben dann andere schöne Erinnerungen.

Bringen Sie von Ihren Reisen auch gerne etwas mit?
Früher ja, heute eher weniger – aber ich hatte mir aus China einmal ein antikes Pferdegeschirr mitgebracht. Das hat mich fasziniert – obwohl ich ja weder reite, noch ein Pferd habe…

Das absurdeste Verrückteste, das Ihnen je auf Reisen passiert ist?
Da fällt mir spontan Japan ein, weil es in diesem Land so viele Extreme gibt. Einerseits sind die Japaner ja verrückt nach Klassik – egal ob Ballett oder Musik. Dann fährt man andererseits aber mit der Metro und kommt sich vor wie in einem virtuellen Raum – du siehst Menschen als Puppen und Comicfiguren verkleidet – überall leuchten Neonfarben, laute Musik und überall Technik – die totale Reizüberflutung. Dann wieder betritt man eine kleine Seiten-straße und stößt auf ein uraltes historisches Sushi-Restaurant und an der nächsten Ecke warten bereits wieder computergesteuerte Kraken-Arme, die Spielzeuge aus einem Automaten fischen.

Stuttgart ist für Sie…
Ganz klar: Stuttgart ist meine Heimat.

Wo könnte man Sie hier treffen?
Ich bin gerne in der Stadtmitte mitten drin. Ich wohne am Eugensplatz, das ist mein Revier – von dort aus kann ich zu Fuß ins Theater gehen. Ich gehe gerne in den Mineralbädern in Bad Cannstatt schwimmen. Und ich mag die schwäbische Küche, am liebsten Maultaschen mit Kartoffelsalat, Schnitzel mit Pommes oder Käsespätzle – ganz einfach, schwäbische Hausmannskost.

Wie entspannen Sie? Wo und wie können Sie am schnellsten
abschalten?
Entspannung ja, abschalten muss ich nicht! Ich habe mit dem Tanzen das gefunden, was mich ausfüllt und glücklich macht. Ich habe auch nie richtig lange Urlaub gemacht. Ich liebe die Natur, gehe gerne in den umliegenden Wäldern rund um Stuttgart laufen. Ich höre gerne Musik, nichts Spezielles; es kommt auf meine Stimmung an, reicht aber von Elektronik bis zu Gustav Mahler. Musik als Dauerberieselung ist dagegen nicht mein Ding, weder auf Reisen, noch in Hotels oder beim Kochen. Denn ich mag es auch, wenn es einfach mal ganz ruhig ist – dann genieße ich einfach die Stille.

Szene aus „Kaash“ (c) )Stuttgarter Ballett

Wie lautet Ihr Credo?
Das müssten Sie eigentlich andere fragen…(lacht). Ich versuche authentisch zu sein, Dinge zu akzeptieren, wie sie sind. Ich glaube, jeder Mensch sollte das, was ihn besonders macht, zuerst in sich selbst suchen, nicht zu sehr im Außen. Seiner Umgebung und sich selbst nichts vorzuspielen – akzeptieren wer man ist.

Wie finden Sie auch in schwierigen Zeiten zu sich?
Ich bin kein Analytiker. Meine Bewältigung ist die Bewegung, das Tanzen – das macht mich stark. Wenn ich einen schwierigen Termin habe oder ein Problem lösen muss, dann hilft es mir, in die Bewegung, in die körperliche Aktion zu gehen – das ist mein Ausgleich. Nach der körperlichen Erschöpfung kann ich dann meistens klarer denken.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Claudia Fenkart-Njie


Mehr über Friedemann Vogel und das Stuttgart Ballett…

Schauspielerin Iris Berben
über Stimme & Sprache

Welch wunderbares, modulierendes Instrument die Stimme sein kann und wie wichtig es ist, in schwierigen Zeiten die Stimme zu erheben, darüber gibt die vielseitige Schauspielerin in diesem Gespräch Auskunft. Für die 12. Internationalen Stuttgarter Stimmtage im November hat Iris Berben die Schirmherrschaft übernommen.

arsmondo: Sie haben sich bei Ihren Rollen und auch beim Genre nie festlegen lassen. Das hat sie vor der gefährlichen „Schublade“ bewahrt. Sie spielten Rollen wie die der Rosa Roth, eine engagierte Kommissarin, in Sketchup waren sie die Comedy-Partnerin von Dieter Krebs, darüber hinaus haben Sie in vielen Filmen facettenreiche Frauenfiguren verkörpert mit denen man mitfiebert, lacht oder leidet. Das bedeutet jede Menge Stimmungen, Gefühle zu entwickeln und auf den Punkt abrufen zu können. – Wie nähern Sie sich diesen unterschiedlichen Rollen?

In der Comedyserie Sketchup gab es viele kleine kurze Szenen – Miniaturen – dort habe ich gelernt viel und sehr genau zu arbeiten. – Comedy hat ja in Deutschland leider nicht den Stellenwert wie beispielsweise im englischsprachigen Raum – dabei ist es eigentlich eine Königsdisziplin für jeden Schauspieler, denn dort lernst du viel über Timing, das schnelle Begreifen einer Situation und wie du sie möglichst reduziert und spontan rüberbringst. Die Unterschiedlichkeit meiner Rollen ist ein Glücksfall für mich – weil gerade dadurch keine Routine aufkommt. Es sind ganz unterschiedliche Wege, die mich in meine unterschiedlichen Rollen führen. Ich habe kein festes Konzept – man muss sich jedes Mal aufs Neue auf einen Charakter einlassen. In manchen Rollen trägst du ein historisches Korsett, zum Beispiel als ich in dem Film Die Buddenbrocks die Konsulin Bethsy Buddenbrook gespielt habe oder die Berta Krupp (Krupp – Eine deutsche Familie ist ein dreiteiliger Historienfilm/2009 , A. d. R.). Dafür musste ich erst einmal sehr viel Lesen über die jeweilige Zeit. Solche Frauen-Figuren darfst du ja nicht aus unserer heutigen Sprachgewandtheit und Offenheit herausspielen, sondern aus dem damaligen Bewusstsein heraus entwickeln. Natürlich bin ich glücklich, dass ich das ganze Rollen-Spektrum so breit füllen darf und kann. Mein Credo lautet immer maximale Empathie für eine Rolle mitbringen auch wenn es ein Charakter mit negativen Seiten ist. Du musst sie in dem Moment mögen und verstehen. – Manchmal fiel mir das sehr schwer, weil es so weit von einem weg sein kann. Das ging mir bei der Rolle der Cosima Wagner so („Die Wagners“ A.d.R.), nicht zuletzt auch, weil sie eine bekennende Antisemitin war. Aber man muss versuchen, eine solche Figur aus ihrer Zeit heraus zu begreifen und dann eben jenen Punkt in sich selbst finden. Warum bin ich wie ich bin. Es geht um Identifikation. Sie ist jedes Mal mit einer langen und intensiven Vorarbeit verbunden, die einen unglaublichen Einblick in andere Welten, Menschen und Lebensformen eröffnet.

arsmondo: Die Stimme drückt unsere Stimmungen aus und ist der Spiegel der Seele – sie offenbart der Umwelt unsere Gefühlswelt – ob wir wollen oder nicht. Im Alltagsleben ist das für uns ja selbstverständlich, da denken wir ja gar nicht nach. Aber wie ist das auf der Bühne und im Film?
Wichtig ist, in der Figur zu sein, sie nicht von außen zu spielen. Du musst mit einer Figur verschmelzen in ihr drin sein. Nur dann überzeugst du dein Publikum. Aber wie finde ich die richtige Stimme? Ich habe jetzt einen 5-Teiler abgedreht, der im Oktober im Fernsehen startet. Er heißt „Die Protokollantin“. Da geht es sehr viel um Stimme. Die Frau, die ich spiele, ist düster. Dafür musste ich die Stimme suchen. Welche Stimmlage brauche ich. Hier ging es um Reduktion, um das „Abschleifen“ von Worten und Emotionen – in solchen Momenten merkst Du welch wunderbares Instrument die Stimme sein kann. Ich arbeite und übe ständig an meiner Stimme – sie zu modellieren, den richtigen Ton zu treffen. Ich schätze eine klare und verständliche Sprache – auch wenn man flüstert oder nuschelt oder schnoddrig sein muss. Man sollte trotzdem immer verstanden werden. Ich finde, dass heute oft die Sprache vernachlässigt wird. Oft versteht man die Schauspieler nicht mehr. Man muss die Sprache gut beherrschen, um mit ihr umgehen zu können.

„Beim Einstudieren von Rollen geht es um
Identifikation. Sie ist jedes Mal mit einer langen und intensiven Vorarbeit verbunden, die einen unglaublichen Einblick in andere Welten, Menschen und Lebensformen eröffnet.“

arsmondo: Sie absolvierten eine Tanz- und Bewegungsausbildung in London sowie eine Sprech- und Gesangsausbildung. Gibt es Unterschiede zwischen Stimme und Sprache im Film, Bühne und realem Leben? Wie finden Sie in Ihren verschiedene Rollen – den richtigen Ton?
Ich war nie auf einer Schauspielschule. In London habe ich eine Tanz- und Bewegungsausbildung sowie eine Sprech- und Gesangsausbildung absolviert, aber das war nur auf eine bestimmte Rolle hin bezogen. Alles was ich kann, habe ich durch learning bei doing erlernt. Und das Schöne ist, dass du als Schauspieler nie auslernst! Jedes Projekt ist anders und eine neue Herausforderung. Da geht es um innere Ansprüche und um eigene Vorstellungen. Dazu muss ich jedes Mal die Emotionen in mir suchen. Wie spreche ich als alte Frau? Ich habe ja auch schon Achzigjährige gespielt, oder wie klingt eine Frau mit vierzig oder wie klingt ein Kind oder eine Jugendliche? Wie fühlt ein junges Mädchen? In meinen Lesungen über Selma Meerbaum-Eisinger beispielsweise – sie starb früh und schrieb ihre wunderbar ergreifenden Gedichte zwischen dem15. bis 18. Lebensjahr.* Wie finde ich dieses Lebensgefühl, diese Lebensgier, diese Offenheit und Wachheit? Ich liebe solche Arbeiten, die mich fordern und in der ich nach richtiger Stimme und Ton suchen muss.

arsmondo: Sie stehen für Dinge ein – für Toleranz und Gerechtigkeit – sie äußern sich auch zu politischen und gesellschaftlich relevanten Themen – d.h. Sie erheben Ihre Stimme und setzen sie ein, um etwas zu bewegen.
Wir leben in einer Welt in der vieles lauter wird – auch die Forderungen. Und es gibt heute unzählige Möglichkeiten, Meinungen zu verbreiten. Generell glaube ich nicht, dass man das Einstehen für etwas in der Öffentlichkeit von jedem verlangen sollte, auch nicht expliziert von uns Künstlern. Aber ich komme aus einer anderen Zeit – der Zeit als man sich in den 68er-Jahren gegen die Verkrustungen der Vergangenheit frei zu machen versuchte, es ging auch um Frauenrechte, um Öffnung gegenüber dem Neuen und Anderen. Wir wollten die Welt verändern und das Nachkriegsdeutschland. In die Sprachlosigkeit eingreifen. Sprache kann eine Waffe sein. Wir merken das heute wieder sehr, wie man mit Worten treffen kann. Menschen kann man mit Worten einlullen und fangen. Es gibt sie wieder die Menschfänger, die mit vermeintlich leichten Worten einfache „Wahrheiten“ verbreiten – einfache und leichte Antworten geben für komplexe Themen. Das hat ja auch alles mit Sprache zu tun. Wie vermittle ich etwas? Wie aggressiv oder sanft bin ich dabei? und ja da sehe ich für mich eine große Notwendigkeit, auch meine Stimme zu erheben. Ich versuche auch, meine Haltung klar zu machen und dadurch vielen Menschen zu zeigen: Wir alle können etwas tun! Natürlich macht du dir dadurch nicht nur Freunde, und du machst dich angreifbar. Das muss man aushalten können und wollen.

arsmondo: Sie widmen sich neben Ihrer Filmarbeit auch leidenschaftlich gerne der Literatur – was würden Sie sagen: Ist das Einsprechen von Hörbüchern und Synchronisation eine gute Übung für Selbstreflektion und Kontrolle – Körper, Gesicht, Mimik entfallen, man wird ja ganz auf seine Stimme beschränkt – sich wieder der eigenen Stimme und Sprache ganz direkt zu stellen?
In diesem Bereich muss man noch genauer arbeiten. Gleichzeitig merkt man was für eine ungeheure Macht die Stimme haben kann. Je nach Thema und Figur in Texten muss man blitzschnell in einen anderen Sprachduktus schlüpfen. Ich habe ein Hörbuch und Lesungen zu Anne Frank und Josef Goebbels gemacht. Da musste ich mir im Vorfeld ganz genau überlegen: Unterstreichst du? Übertreibt du? Oder lässt du perfide Sätze eines Goebbels in der Distanz – ohne sie zu interpretieren einfach im Raum stehen. Wie kann ich etwas nur durch meine Stimme spannend machen?
Ich habe immer noch einen Riesenrespekt vor meinem Beruf – ich liebe ihn und nehme ihn sehr ernst – das bedeutet, ich versuche immer alle Möglichkeiten zu nutzen, diesen Beruf auszufüllen – wach und offen zu sein. Beobachten – Kollegen zuzuhören und zuzuschauen – wahrnehmen, was um mich herum geschieht. All das nimmt man in seinen Erfahrungsschatz auf.

arsmondo: Muse und Muse-Stunden – welche Lieblingsbeschäftigungen gehen Sie in Ihrer freien Zeit nach?
Ich lese sehr gern und viel, und ich gehe ebenso gerne in Buchhandlungen. Ich kämpfe dafür, dass diese auch erhalten bleiben, ich mag es, dort zu stöbern und zu blättern, mich mit anderen auszutauschen. Dann reise ich viel. Die Welt so ausgiebig kennenlernen wie es nur geht, denn es gibt nichta aufregenderes als andere Kulturen und Lebensformen, Gegenden und Orte kennenzulernen. Und ich koche leidenschaftlich!

 


Lotto-Museumspreis Baden-Württemberg 2024

Kunst, Technik und regionale Kulturgeschichte – damit konnten die beiden Gewinner des Lotto-Museumspreises Baden-Württemberg in diesem Jahr überzeugen. Der mit 30.000 Euro dotierte Hauptpreis geht an das Zeppelin Museum Friedrichshafen, den eXtra-Preis und damit 15.000 Euro erhält das Bauernhaus-Museum Allgäu-Oberschwaben Wolfegg. Als Kriterien nahm die Jury unter anderem die generelle Zielsetzung des Museums, die Sammlungspräsentation und Museumsdidaktik sowie innovative Ansätze in der Projektarbeit und aktuelle Programme unter die Lupe.

Zeppelin Museum © Zeppelin Museum, Foto: Tretter

Gewinner des Hauptpreises 2024 ist das Zeppelin Museum Friedrichshafen

Im denkmalgeschützten Gebäude des Hafenbahnhofs in Friedrichshafen beherbergt das Zeppelin Museum nicht nur die weltweit größte und bedeutendste Sammlung zur Geschichte der Luftfahrt, sondern auch eine Kunstsammlung, die die großen Meister aus Süddeutschland vom Mittelalter bis zur Neuzeit umfasst. Zu den Highlights zählen die begehbaren Passagierräume der LZ 129 Hindenburg, eine Wunderkammer zum Kultobjekt Zeppelin sowie Experimentierstationen. Durch sein einzigartiges Gesamtkonzept schafft es das Museum, Kunst- und Technikgeschichte sowie gesellschaftlich aktuelle Themen mittels interdisziplinärer Sonderausstellungen erlebbar zu machen. „Das Zeppelin Museum in Friedrichshafen zeichnet sich nicht nur durch eine langjährige fundierte Museumsarbeit und die innovative Konzeption aus, die Technik und Kunst verbindet. Das Haus hat die Jury vor allem auch durch seine Projekte in den Bereichen Vermittlung, Provenienzforschung und Nachhaltigkeit überzeugt“, urteilt die Jury.

Bauernhaus-Museum Allgäu-Oberschwaben Wolfegg © Ernst Fesseler

Der eXtra-Preis geht an das Bauernhaus-Museum Allgäu-Oberschwaben

Das Bauernhaus-Museum Allgäu-Oberschwaben Wolfegg vermittelt spannend die bäuerliche Kulturgeschichte Oberschwabens und des westlichen Allgäus. Anhand von 28 Wohn- und Wirtschaftsgebäuden und rund 26.000 Objekten entsteht auf dem Gelände ein authentisches Bild der ländlichen Lebenswelt. Die Dauerausstellung „früher und heute“ veranschaulicht, wie sehr sich die Lebenswelt vergangener Jahrhunderte von unserer heutigen unterscheidet. Besonderen Wert wird dabei auf die umfassende Teilhabe von Menschen mit Einschränkungen gelegt. Dieses Konzept hat auch die Jury überzeugt.

Der Lotto-Museumspreis wird jährlich von Lotto Baden-Württemberg in Kooperation mit dem Museumsverband Baden-Württemberg vergeben und würdigt die herausragende Museumsarbeit im Land. Mehr als 50 Museen aus dem Südwesten hatten sich dieses Jahr für die mit insgesamt 45.000 Euro dotierte Auszeichnung beworben. Zur siebenköpfigen Jury gehörten neben Moderator Markus Brock, eine Ressortleiterin von SWR2, Präsidiumsmitglieder des Museumsverbandes Baden-Württemberg, eine Vertreterin aus dem Bereich der Museumsberatung und Museumszertifizierung und die Leiterin der Unternehmenskommunikation von Lotto Baden-Württemberg.

Die Verleihung des Preises findet am 30. November 2024 mit geladenen Gästen aus Politik und Gesellschaft in Friedrichshafen statt. Am Wochenende der Preisverleihung schenkt Lotto Baden-Württemberg allen Besucherinnen und Besuchern das Ticket.

Mehr dazu erfahren Sie auf der entsprechenden Website von Lotto BW

Lotto Baden-Württemberg: Förderer der Kultur
Lotto Baden-Württemberg trägt seit vielen Jahren über den Wettmittelfonds des Landes dazu bei, das kulturelle Engagement und die Museumslandschaft zu unterstützen. 2023 flossen über 33 Millionen Euro aus Lotterieerträgen in Kunst und Kultur. Gefördert werden unter anderem Maßnahmen zum Erhalt der Sammlungsobjekte von Museen in nichtstaatlicher Trägerschaft. Von den Lotterieerträgen profitieren auch die sieben regionalen Freilichtmuseen Baden-Württembergs. Diese Mittel werden von der Landesstelle für Museumsbetreuung verwaltet.

JETZT!

In einer Zeit spürbar werdender gesellschaftlicher Spaltung und Unsicherheit, beschäftigt sich das spartenübergreifende Festival der KulturRegion StuttgartJetzt!“ unter der künstlerischen Leitung des bekannten Kuratoren-Duos Herbordt/Mohren mit Möglichkeiten und Chancen dem entgegenzuwirken.
Dem Titel „Jetzt! Handlungsräume zwischen Kunst und Gesellschaft“ folgend, finden noch bis 13. Oktober 2024  zahlreiche Veranstaltungen und Projekte mit regionalen und internationalen Künstler*innen statt.  Der Titel  »JETZT!« symbolisiert die Dringlichkeit Dinge zu ändern, um Zukunft zu gestalten. Ziel der Festivalmacher*innen ist es mit ihrem Programm, Grenzen und Barrieren im Denken und Handeln zu überwinden: Durch Begegnung und Reflektion, durch lebendigen Austausch zwischen Kulturschaffenden und Publikum  –   nachhaltig, inklusiv, hybrid, intergenerationell, kollaborativ und transdisziplinär.

Beispiele aus dem Programm:

Chorprojekt für die KulturRegion

Neo Muyanga (c) I. Junicke

Neo Muyanga – ist Komponist und Installationskünstler. Geboren in Soweto, Südafrika, begann schon früh in traditionellen Chören der Region zu singen und studierte später die italienische Madrigal-Tradition in Triest, Italien. Im gemeinsamen Singen, insbesondere in der die Initiierung völlig neu zusammengestellter Chöre sieht er eine große Chance für das Entstehen neuer Gemeinschaften und Zugehörigkeiten. Neo Muyanga komponiert Kammeropern, Musikstücke und Musikwerke für große und gemischte Ensembles. Er schöpft dabei aus traditionellen Gesangsmodi von Basotho und Zulu, dem Free Jazz und dem Klassischen europäischen Barock. Basierend auf seinen wiederkehrenden Themenschwerpunkten ›Krise‹, ›Entfremdung‹ und ›Zugehörigkeiten‹ wird er ein kommunenübergreifendes Chorprojekt für die KulturRegion entwickeln.

Molly Joyce (c) Sophia Hegewald

 Perspective
Das Projekt »Perspective« stammt von der renommierten Komponistin und Performerin Molly Joyce und wurde gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen entwickelt. Molly Joyce führte zahlreiche Interviews, aus denen Plakate und Videos entstanden sind. Diese Werke werden in mehreren Kommunen an verschiedenen Orten gezeigt, die für Barrierefreiheit und Mobilität von Bedeutung sind, um auf die Herausforderungen und Perspektiven von Menschen mit Behinderungen aufmerksam zu machen.

Unterwegs mit dem
FestivalFloß durch die KulturRegion

Zeichnung Floß (c) Manuel Assner

Floßbauer und Kapitän Manuel Assner orchestriert den Bau eines kommunen über greifenden FestivalFloß! Über die gesamte Festivaldauer entsteht in Kooperation mit der Stuttgarter-Jugendhaus gGmbH(stjg) und verschiedenen Kommunen ein Floß, das zur schwimmenden Bühne wird.
Die Stationen des Festival-Floßes findet man im Programmpunkt »Die Akademie«. Dort gibt es auch Infos zu Ausstellungen, Konzerten, Performances und  Aktionen zur Route des FestivalFloßes, zu den Künstler*innen, zu weiteren Aktionen wie Radfahrten und Wanderungen, zu einem Kräuterspaziergang u.v.m. Im Programmheft zu finden (ab Seite 60) und immer tagesaktuell unter: www.festival-jetzt.de

Route des Floßes

Kunsterlebnistour mit Sara Dahme
Ihre Leidenschaft ist die Kunst und Stuttgart–Eine Bustour mit der Kunstvermittlerin Sara Dahme lädt dazu ein, die Kunstwerke in der Region zu entdecken. Waldenbuch–Böblingen-Ditzingen– zurück nach Stuttgart. Seit 15Jahren lädt die Kulturvermittlung mit ungewöhnlichen Formaten humorvoll dazu ein sich auf Kultur immer wieder neu und anders einzulassen .
Sonntag, 29.9.2024:, 12 Uhr, Treffpunkt Karlsplatz Stuttgart – (Dauer:ca.8 Stunden), Anmeldung: www.eveeno.com/bustour

Sara Dahme (c) Sanne Schubert

Das Veranstaltungsprogramm beinhaltet darüber hinaus: 

  • Nomadisches Festivalzentrum: Präsentation aller
    Kommunen, Überblick über das Festival, Infopunkt,
    Veranstaltungen
  • Geführte Touren zu Kunstwerken in der Region
  • Pop-up-Hörstation
  • Künstler*innengespräche, Führungen, Workshops

Der Eintritt zu nahezu allen Veranstaltungen im Rahmen des Festivals ist frei! Das Programm  hier downloaden – Weitere Info: www.festival-jetzt.de

Die KulturRegion Stuttgart

Die KulturRegion Stuttgart ist ein Zusammenschluss von 43 Städten und Gemeinden, dem Verband Region Stuttgart und drei Mitgliedsvereinen. Seit 1991 veranstaltet sie groß angelegte interkommunale Kulturprojekte und prägt damit das kulturelle Erscheinungsbild der Region.
Die Projekte befassen sich mit regional und gesellschaftlich relevanten Themen. Dabei werden zeitgenössische Kunstformate aus verschiedenen Sparten an ungewöhnlichen Orten realisiert. Die gemeinsame Präsentation in regionsweiten Festivals lädt dazu ein, Kunst und Kultur in der ganzen Region zu entdecken.
www.kulturregion-stuttgart.de

Künstlerische Leitung
Herbordt/Mohren
Seit über zehn Jahren haben Bernhard Herbordt und Melanie
Mohren ihren Lebens- und Arbeitsschwerpunkt in Stuttgart.
Gemeinsam entwickeln sie interdisziplinäre Arbeiten im
Grenzbereich der Darstellenden Künste. Ihre Raum- und Klang-
Installationen, Hörstücke, Performances, Musiktheater-Arbeiten,
Ausstellungs- und Publikationsprojekte werden international
präsentiert und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet -
jüngst mit dem Deutschen Theaterpreis »Der Faust«. Zudem
konzipieren, kuratieren und inszeniert das Duo
diskursive Formatreihen wie auch Kongresse, sie sind in unterschiedlichen Jurys tätig und unterrichten seit über 10 Jahren regelmäßig an Kunsthochschulen und Universitäten im
deutschsprachigen Raum und darüber hinaus.

Spielplanübersicht – Theater und Orchester Heidelberg

Viel Neues in der Saison am Theater Heidelberg: Fünf Uraufführungen in den verschiedenen Sparten, dazu kommen vier Festivals, darunter die Tanzbiennale Heidelberg und Konzerte im neu errichteten Heidelberg Congress Center. Und: Neu am Haus ist Mino Marani als Generalmusikdirektor.

Musiktheater
Das Musiktheater eröffnet seine Saison mit Verdis Oper »Macbeth« – ab Oktober 2024 unter der musikalischen Leitung von Mino Marani zu erleben. Auf die szenische Liederrevue: »Ein Lied geht um die Welt« in der Regie von Holger Schultze folgt im Januar dann »Werther« eine Oper von Jules Massenet ebenfalls unter der musikalischen Leitung von Mino Marani, bevor im März das berühmte Musical »Singin in the Rain«  auf die Bühne kommt. Im April folgt die Oper »Jenůfa« von Leoš Janáček. Auch hier wird der neue GMD Mino Marani die musikalische Leitung übernehmen.
Die Komische Oper »La Cenerentola« von Gioachino Rossini in der Regie von Holger Schultze und unter der musikalischen Leitung von Daniele Squeo wird im September 2024 wieder aufgenommen.
Solisten des Opernensembles laden außerdem an vier Terminen  ein, um die vielen Facetten der Liedkunst in Liedsoireen kennenzulernen.

Mino Marani wurde 1985 in Italien geboren, wo er Klavier, Kammermusik, Komposition, Dirigieren sowie Semiotik und Kommunikationswissenschaft in Bologna und Mailand studierte. Seit 2011 lebt Mino Marani in Deutschland, wo Tätigkeiten an den Theatern in Mainz, Osnabrück, Pforzheim und Koblenz aufeinander folgten.2022 bis 2024 war er als 1. Kapellmeister am Staatstheater Braunschweig engagiert.
LA CENERENTOLA von Gioachino Rossini, Foto: Susanne Reichardt

 

DER TRAFIKANT nach dem Roman von Robert Seethaler / Bühnenfassung von Marcel Kohler, Foto: Susanne Reichardt

Schauspiel
Die Schauspiel-Sparte setzt auf Vielfalt und renommierte Klassiker. Den Anfang macht die Komödie von Jan Neumann »kurz&nackig«, gefolgt von Brechts großer Parabel von Mutterschaft und Mutterliebe, von Gerechtigkeit und Recht, von Krieg und Flucht: »Der kaukasische Kreisekreis«. Im November ist »Der talentierte Mr. Ripley« nach dem psychologischen Kriminalroman von Patricia Highsmith auf der Zwingerbühne zu sehen.  Es folgt im Dezember »Plan B« von Yael Ronen. Im Frühjahr 2025 warten gleich vier Stücke auf ihre Premieren. Den Anfang macht mit einer Uraufführung »Unter euch« ein Auftragswerk des Theaters und Orchesters Heidelberg des belgischen Autors Thomas Depryck. Weiter geht es mit dem gefeierten Moralthriller »Die Ärztin« von Robert Icke, eine sehr freie Fortschreibung von Schnitzlers »Professor Bernhardi«.  Im April stehen dann. »Mephisto« nach Klaus Mann  und »Tod eines Handlungsreisenden« von Arthur Miller auf dem Spielplan. Als letzte Premiere der Spielzeit wird im Marguerre-Saal die Shakespeare-Tragödie »König Lear« vom ukrainischen Regisseur Stas Zhyrkov zu sehen sein.

Ein Wiedersehen gibt es mit Erfolgsstücken aus vergangen Spielzeiten. »Mord im Orientexpress«, »Der Trafikant«, »Die Zeit fährt Auto« sowie »Blaupause« und »Freud träumt :: Anna O.«

SILK – Tanzstück von Iván Pérez, Foto: Susanne Reichardt

Tanz/Ballett
Das Dance Theatre Heidelberg (DTH) eröffnet die neue Saison mit »Multitud«, einem Community-Tanzstück von Tamara Cubas mit Heidelberger*innen im Zementwerk Leimen. Dem folgen zwei Uraufführungen. Die erste im November. »Pollock« ein Tanzstück von Iván Pérez mit dem Philharmonischen Orchester Heidelberg. Eine weitere Uraufführung folgt im März 2025: »Unseen Horses« von Ioanna Paraskevopoulou.

Konzerte
Musikalisch reisen die Philharmonischen Konzerte durch verschiedene Epochen und Stile, von Nikolai Rimski-Korsakows »Scheherazade« und György Ligetis modernistischen Klängen bis hin zu Gustav Mahlers spätromantischen Sinfonien.
Ein Fokus liegt auf dem Werk des bereits genannten tschechischen Komponisten Leoš Janáček.

Mit dem Heidelberger Künstlerinnenpreis 2025, der an Sarah Nemtsov verliehen wird, und der Aufführung ihres Werks »Tikkun« im Rahmen des 4. Philharmonischen Konzerts »Fantasie«, liegt der Blick des Philharmonischen Orchesters Heidelberg auch weiterhin auf der Förderung von Komponistinnen.
Zum Jahreswechsel versprechen das Silvester- und Neujahrskonzert mit dem Thema »Alles Walzer!« eine festliche Atmosphäre. Vier Bachchor-Konzerte in der Peterskirche bieten geistliche Musik, darunter das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach.
Ein neues Konzertformat ist »BEEEEEEEEEthoven!«. Auf dem Programm steht jeweils ein einziges Werk Beethovens. Nach der Musik gibt es Raum und Zeit, um mit Mino Marani, der alle Konzerte musikalische leitet und den Musiker*innen ins Gespräch zu kommen. Alle neun Sinfonien Beethovens lassen sich dabei als Zyklus erleben – in der Spielzeit 2024/25 sind die ersten vier Sinfonien Beethovens zu hören.

Festivals
Vom 23. November 2024 bis 25. Januar 2025 findet im Schloss Schwetzingen das traditionsreiche Barockfest Winter in Schwetzingen statt. Es widmet sich zwei Persönlichkeiten, die für die Musikgeschichte aber auch die Region eine wichtige Rolle spielten: Johann Sigismund Kusser (1660 – 1727) : dessen Oper »Adonis« kommt unter der musikalischen Leitung des Spezialisten für Alte Musik Jörg Halubek zur Aufführung. Zum anderen feiert Winter in Schwetzingen den 300. Geburtstag von Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz (1724 – 1799), unter dessen Regierung Mannheim und Schwetzingen über die Landesgrenzen hinaus zu großer kultureller Beachtung avancierten.

Tanzbiennale Heidelberg
1. bis 9. Februar 2025
Aus einer Kooperation mit dem  Theater  Heidelberg und dem UnterwegsTheater ist die TANZallianz entstanden. Diese dauerhafte Kooperation zwischen Stadttheater und freier Szene ist in Deutschland einmalig und ermöglichte nicht zuletzt die Etablierung der Tanzbiennale Heidelberg. Es findet alle zwei Jahre statt und feiert die Tanzkunst in all ihren Formen. Etabliert haben sich unter anderem das Jugendtanzprojekt und die Tanz-Gala Baden-Württemberg; dazu gibt es Gastspiele aus der nationalen wie internationalen Tanzszene. Bereichert wird das biennale Festival zudem durch ein vielfältiges Rahmenprogramm mit Podiumsdiskussionen, Filmabenden und Workshops. Karten und Programm: ab 15. November 2024 erhältlich

Das traditionsreiche Festival für Gegenwartsdramatik, der 42. Heidelberger Stückemarkt findet vom 25. April bis 4. Mai 2025 statt. Seit 1984 präsentiert der Heidelberger Stückemarkt die Avantgarde des Theaters. Zum Abschluss der Saison zieht das Theater und Orchester Heidelberg vom 13. Juni bis 3. August 2025 wieder auf die schönsten Bühnen der Stadt: In Schlosshof, Englischem Bau und Dickem Turm kann sich das Publikum auf die Neuproduktion von Georges Bizet »Carmen« sowie die Wiederaufnahme der Schauspielproduktion »Der Graf von Monte Christo« bei den Heidelberger Schlossfestspielen 2025 freuen. Dazu gibt es Schlosskonzerte  und das Stück »Des Kaisers neue Kleider – Mottenzeit« für Kinder und Familien.

Kinder & Jugendliche
Gleich zu Beginn gibt es die Uraufführung von »Pubertäter*innen« ein Stück von Jchj V. Dussel, der sich in dem spannenden Jugendstück mit Humor, Musicalelementen und einer Prise Skurrilität mit den Herausforderungen der Pubertät und den Widrigkeiten der Welt auseinandersetzt. Das Familienstück der Spielzeit 2024/25 ist »Momo« nach Michael Ende. Auf dem weiteren Spielplan stehen »20.000 Meilen unter dem Meer« nach Jules Verne, in einer Bühnenfassung.
Die Piccolokonzerte sowie die Familien- und Jugendkonzerte werden fortgesetzt.

Weitere Informationen sowie Karten unter www.theaterheidelberg.de oder an der Theaterkasse, Fon 06221 / 58 20 000 

Sarah Morris. All Systems Fail

Das Kunstmuseum Stuttgart widmet der international renommierten britischen Künstlerin Sarah Morris (*1967) eine umfassende Retrospektive. Die Ausstellung zeigt mehr als hundert Kunstwerke – darunter Gemälde, Zeichnungen, Filmplakate, immersive Filminstallationen sowie eine neue ortsspezifische Wandmalerei – und würdigt Morris’ einflussreiches Schaffen der letzten dreißig Jahre. Bekannt ist Sarah Morris für ihre geometrischen Gemälde in lebendigen Farben, die sich thematisch mit Netzwerken und Systemen, Wirtschaft und Architektur befassen.

Sarah Morris © Sarah Morris, Foto: Anna Gaskell

Morris bedient sich der Realität und der bildhaften Abstraktion in ihren Arbeiten, die an den Realismus der Pop Art, den amerikanischen Minimalismus und die Institutionskritik anknüpfen. Die Künstlerin versteht ihre Bilder als sich selbst erzeugend, offen für Interpretationen, als Ausdruck von Bewegung und Veränderung.

Sarah Morris, Red Owl [Clips], 2010, Haushaltslack auf Leinwand, 214 x 214 cm ALBERTINA, Wien – Familiensammlung Haselsteiner © Sarah Morris Foto: Christopher Burke, New York / White Cube
Sowohl in ihren abstrakten Gemälden als auch in ihren experimentellen Filmen erforscht Morris die »Psychogeografie« und den dynamischen Charakter von Städten im Wandel.


Der Ausstellungstitel verweist auf eine Gegenwart, die gekennzeichnet ist von einem weit verbreiteten Kultur- und Fortschrittspessimismus, von der Digitalisierung menschlicher Beziehungen und dem Versagen politischer und sozialer Strukturen.
Dauer: 21.09.2024 bis 09.02.2025, www.kunstmuseum-stuttgart.de
Öffnungszeiten: Di bis So 10–18 Uhr, Fr 10–21 Uhr, Eintritt unter 18 Jahren frei

Premieren am Nationaltheater Mannheim

Auch am Nationaltheater Mannheim nähert man sich in der neuen Spielzeit politischen und gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit. Nach wie vor stellt die Generalsanierung  des Theaters Ensemble und Leitung vor Herausforderungen.  Alle Produktionen werden bis Fertigstellung auch weiterhin an unterschiedlichen Spielorten in Mannheim stattfinden. Doch, dass solche Interim-Spielstätten auch durchaus ihren Reiz haben können, stellt das Nationaltheater Mannheim mit ihrer Stückauswahl auch in dieser Saison wieder unter Beweis.

Oper
Die neue Opernspielstätte Oper am Luisenpark (OPAL) wird am 12. Oktober mit der Produktion „CRÉATION(s)“, einem großen Fest der Oper, eingeweiht. Von Monteverdi und Molière, Wagner und Rossini bis zum Sound unserer Zeit bringt ›CRÉATION(s)‹ ein ganzes Panorama der Musik- und Operngeschichte zum Klingen.
Weiter geht es im OPAL mit der Premiere von Verdis Oper „La Traviata“ unter der musikalischen Leitung des Generalmusikdirektors Robert Rizzi Brignoli. Regisseurin Luise Kautz erzählt die Geschichte der »Traviata« ganz aus der Psychologie der Figuren heraus.

Aus der Fotostrecke aus dem NTM-Spielzeitheft: Opernchor Nationaltheater im Mannheimer Rosengarten, Foto: Maximilian Borchardt

Im Februar folgt mit „Der Operndirektor“ eine urkomische und zugleich bitterböse Theatersatire um Machtspiele, Exzesse und Intrigen: Domenico Cimarosa wirft einen ironischen Blick hinter die Kulissen des Theaterbetriebs.
Die Bühne des Schlosstheaters Schwetzingen wird ab Ende Februar mit einer Hommage an das 1927 gegründete Gesangsquintett Comedian Harmonists bespielt. Unter dem Titel »Comedian Harmonists: Eine Erinnerung in mehreren Stimmen« bringt Regisseurin Cordula Däuper einen ebenso schwungvollen wie berührenden Musiktheaterabend auf die Bühne.

Mit der „Der Schmied von Gent“ kommt eine Oper von Franz Schreker auf die Bühne des Nationaltheaters. Inszeniert als buntes Spektakel geht es in der lebendigen, politisch aufgeladenen  „Zauberoper“ (entstanden in den 1930er Jahren)   um den Schmied Smee , der zwischen Himmel und Hölle hin- und hergerissenen wird.

Nigel Lowery, der nicht nur Regisseur, sondern auch sein eigener Bühnen- und Kostümbildner ist, entwirft für Puccinis Meisterwerk „Il Trittico“ ( das Triptychon) – einen unverwechselbaren Bühnenkosmos, in dem sich gemalte und reale Welt begegnen.

Im Juli bringt Regisseurin Tatjana Gürbaca Händels „Giulio Cesare in Egitto“ ein Meisterwerk der Opernliteratur auf die Bühne des Schlosstheaters Schwetzingen. Die  „Die Csárdásfürstin“ bringt dann zum Ende der Spielzeit schönste Operettenklänge in die Spielstätte OPAL.

Extras und Wiederaufnahmen
Zurück im Repertoire ist in der neuen Spielzeit neben »Don Giovanni«, „Cavalleria Rusticana“, „Hänsel und Gretel“, „Der Ring an einem Abend“ (Loriot)  und „Die Fledermaus“ von Johann Strauß auch Hans Schülers legendäre Inszenierung von Wagners „Parsifal„. Seit 1957 erscheint das gewaltige Musikdrama in zeitloser Schlichtheit. Fortgeführt werden die »Familienkonzerte« sowie die Reihen „Musiksalon“ und „Café Concerte“. Die Kooperation „Film & Oper“ mit dem Cinema Quadrat wird fortgesetzt, wie auch das Format „Oper digital“.
Bei der Sonderveranstaltung „Lichter der Großstadt“ mit Live-Soundtrack gespielt vom Nationaltheater-Orchester, verwandelt sich das OPAL durch Charlie Chaplins Filmklassiker in einen veritablen Filmpalast. Der „Treffpunkt OPAL-Foyer“ bietet die Chance, das Opernensemble neu kennenzulernen und bei Chanson-Programmen oder szenischen Liederabenden zu erleben.

Aus der Fotostrecke aus dem NTM-Spielzeitheft: Uwe Topmann (JNTM), Lorenzo Angelini (Tanz), Boris Koneczny (Schauspiel), Niklas Mayer (Oper), Jessica Liu (Tanz) | Waschsalon Eco Express
, Foto: Maximilian Borchardt

Silvester im OPAL lockt mit Feiern im Stil der Belle Époque und lädt zu einer rauschenden Ballnacht ein. Auch die festliche Operngala „Schloss in Flammen“ mit Synchronfeuerwerk vor dem Mannheimer Schloss findet Ende Juli wieder statt.

Theater
Los geht die neue Spielzeit mit „Die Nacht von Lissabon“ nach dem Roman von Erich Maria Remarque am 27. September im Alten Kino Franklin.

Nur einen Tag später feiert „Der Grund. Eine Verschwindung“ von Ivana Sokola und Jona Spreter als Gewinnerstück des Reinhold Otto Mayer Preises 2023 Uraufführung im Studio Werkhaus.
Ein Stück Mannheimer Stadtgeschichte, ein Leben zwischen zwei Weltkriegen, dem Führerhauptquartier und der Kunst: Das kurze Leben von Felix Hartlaub steht im Mittelpunkt einer Kooperation des Nationaltheaters mit der Kunsthalle anlässlich der Ausstellung »Die Neue Sachlichkeit. Ein Jahrhundertjubiläum«. „Fragment Felix – Ein Leben zwischen Kunst und Krieg“ von Christian Franke feiert am 5. Dezember Uraufführung in der Kunsthalle Mannheim.

Aus der Fotostrecke aus dem NTM-Spielzeitheft: David Smith (Schauspiel), Amelia Scicolone (Oper), Raphael Wittmer (Oper) | in der Kunsthalle Mannheim, Foto: Maximilian Borchardt

Das Jahr 2025 beginnt im Schauspiel am 10. Januar mit der Uraufführung des neuen Stücks von Hausautor*in Leonie Lorena Wyss. Für ihre Stücke wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet. Nun schreibt Leonie Lorena Wyss ein Auftragswerk für das NTM. Eine weitere
Uraufführung folgt mit „DRUCK!“ von Arad Dabiri am 23. Januar 2025 im Studio Werkhaus. An 24. Januar feiert dann „Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ nach der Novelle von Robert Louis Stevenson im Alten Kino Franklin.

Eine gefeierte Broadway-Komödie über die Frauen, die das Oval Office am Laufen halten, während sie den großen Idioten babysitten, der das Präsidentenamt bekleidet, bringt Hausregisseur Christian Weise am 21. März ins Alte Kino: „Die Schattenpräsidentinnen. Oder: Hinter jedem großen Idioten gibt es sieben Frauen, die versuchen, ihn am Leben zu halten“ von Selina Fillinger.
Goethes „Faust“ für alle zugänglich erzählt – das verspricht Regisseur Daniel Cremer. Er wird dazu Goethes Klassiker (Premiere am 4. April 2025) in seiner eigenen Bühnenfassung in Leichte Sprache übertragen.

Die Internationalen Schillertage
Die Internationalen Schillertage tragen das Werk und die Ideen von Friedrich Schiller, dem ersten Hausautor des Nationaltheaters, auf die Bühnen, Straßen und Plätze der Stadt. Mit Gastspielen, Gesprächen, Lesungen, Stadterkundungen, Partys und Konzerten im Festivalzentrum auf dem Franklin Field. Den Auftakt bildet am 19. Juni Schillers Drama „Kabale und Liebe“. Er schrieb es während seines Aufenthalts als Hausautor am Nationaltheater Mannheim in der Spielzeit 1783/84.
Ebenfalls im Programm der Schillertage ist die Uraufführung »Räuber*innen«, eine Fortschreibung von Hausautor*in Leonie Lorena Wyss und dem Mannheimer Stadtensemble.

Tanz/Ballett
Die Sparte Tanz startet Mitte Oktober 2024 mit der Premiere „Just a Game“ im Alten Kino Franklin in die neue Spielzeit. Der dreiteilige Abend wartet mit live gespielter Kammermusik auf. Neben der Choreografie »Mutual Comfort« von Edward Clug sind Kreationen von Giovanni Visone und und von Tanz-Intendant am NTM, Stephan Thoss zu erleben.
In der Adventszeit öffnet das NTM Tanzhaus für gleich zwei winterliche Programme seine Türen: „Engelsgrüßen“ und „Spekulatius-Spektakel“ – ein weihnachtliches Familienprogramm.

Im Januar 2025 kommt es mit dem Orchester-Tanzabend „Poem an Minotaurus / Le Sacre du Printemps“ zur ersten Tanzpremiere in der neuen Interimsspielstätte OPAL. Ein Doppelabend ebenfalls aus der Feder von Stephan Thoss, der sich neben der inspirierenden Künstlerpersönlichkeit Picassos Strawinskys Meisterwerk widmet
Die zweite Tanzpremiere im Alten Kino Franklin im April 2025 verbindet unter dem Titel „One Love“ zwei Uraufführungen der aufstrebenden Choreografen Martin Harriague und Andrew Skeels, bevor es im Sommer wieder „Vorhang auf!‹ für die »Choreografische Werkstatt“ im NTM Tanzhaus heißt.

Kinder & Jugend
Das Junge Nationaltheater Mannheim präsentiert in der kommenden Spielzeit ein abwechslungsreiches Programm mit Theaterstücken für jedes Alter und gleich zwei renommierten Festivals. Zudem werden in künstlerischen Forschungsresidenzen neue Ideen entwickelt.
Los geht es direkt zu Beginn der Spielzeit am 21. September mit „Rotkäppchen“ (5+) von Manuel Gerst. Das bekannte Märchen bietet die Kulissen für ein interaktives Spiel: Schaffen Publikum und Rotkäppchen es rechtzeitig durch den Wald zur Großmutter? Auch die zweite Produktion erzählt ein bekanntes Märchen neu. „Die Schneekönigin“ (8+) für die ganze Familie, lädt dazu ein , sich während der Weihnachtszeit von der wärmenden Kraft der Freundschaft erfüllen zu lassen.
Auch für die Allerkleinsten wird es eine neue Produktion geben: Barbara Fuchs entwickelt im Januar 2025 mit »Federn federn« (2+) ein Tanzstück, das die faszinierenden Eigenschaften von Federn untersucht. Ebenfalls im Januar feiert eine neue Uraufführung des Kollektivs subbotnik am Jungen NTM Premiere: „Klassiker! – Ein Remix“ (15+) klopft die Klassiker aus dem Deutschunterricht auf ihre politische und emotionale Bedeutung für die Gegenwart ab. Ein Best-of der berühmtesten Werke deutscher Dramatik – inklusive Remixes. Außer der Reihe finden 2025 in Mannheim die 27. Baden-Württembergische Theatertage – Kinder- und Jugendtheater statt. In dieser Ausgabe können Kinder und Jugendliche im Juli 2025 über mehrere Tage an verschiedenen Orten in der Stadt Theater aus dem ganzen Bundesland sehen.

Festival
Ebenfalls Anfang 2025 kommt die alle zwei Jahre stattfindende IMAGINALE wieder nach Mannheim. Das internationale Theaterfestival animierter Formen präsentiert innovative Produktionen aus den Bereichen Figurentheater, Tanz, Performance, und Digitalkunst.

Aus der Fotostrecke aus dem NTM-Spielzeitheft: Albrecht Puhlmann, Tilmann Pröllochs, Stephan Toss, Ulrike Stöck, Christian Holtzhauer, Foto: Maximilian Borchardt

Das komplette Programm (Spielzeitheft ) mit allen Terminen und Details finden Sie unter folgendem Link

Lichtkunst im SCHAUWERK

Das SCHAUWERK Sindelfingen zeigt bis 10. August 2025 Lichtkunst der letzten 60 Jahre. Zu sehen sind rund 20 Werke von Künstler:innen wie John M Armleder, Tracey Emin, Dan Flavin, Jeppe Hein, Brigitte Kowanz, Otto Piene und anderen.
Viele Künstler:innen sind fasziniert von Licht und nutzen es als Material in ihren Werken. Licht erscheint je nach Quelle kalt oder warm, hart oder weich. Es strahlt weiß oder in bunten Farben, ist bewegt oder statisch. Das immaterielle Medium findet in Form von Glüh- und Leuchtstofflampen oder Neonröhren, glimmenden LEDs oder leistungsstarken Scheinwerfern Einzug in die Kunst.

Ausstellungsansicht NEON, LED & CO. Lichtkunst aus der Sammlung Schaufler, SCHAUWERK Sindelfingen 2024/25,, Foto: Frank Kleinbach

Dabei entstehen vollkommen unterschiedliche Werke, deren Vielfalt die Ausstellung im SCHAUWERK widerspiegelt. Für die Anfänge der Gattung in den 1960er-Jahren stehen zwei Exponate von Dan Flavin, dem bekanntesten Pionier der Lichtkunst.

Dan Flavin, Ohne Titel (to Paolina), 1971, © The Estate of Dan Flavin/VG Bild-Kunst, Bonn 2024; Foto: Frank Kleinbach

Er montierte als Erster in einem radikalen Akt handelsübliche Leuchtstoffröhren – einen alltäglichen Gebrauchsgegenstand – im 45-Grad-Winkel an die Wand und erklärte sie zur Kunst. Reduktion und Klarheit kennzeichnen die Arbeiten von Brigitte Kowanz. Von der 2022 verstorbenen österreichischen Künstlerin zeigt das SCHAUWERK die raumgreifende Installation Light Steps, bei der fünfzehn Leuchtstofflampen stufenartig zu einer Treppe angeordnet sind.

Ausstellungsansicht II: Rechts: Brigitte Kowanz, Light Steps, 1990, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024; links: John M Armleder, No Pain, Just Gain, 2002, © John M Armleder, Foto: Frank Kleinbach

Die Ausstellung NEON, LED & CO. gibt nicht nur einen Überblick über die Entwicklungen der Lichtkunst der vergangenen 60 Jahre. Ein weiterer Schwerpunkt liegt darauf, Wissenswertes über die Materialien, die technische Vielfalt und die Erhaltung von Lichtkunst zu vermitteln. Jedes Lichtkunstwerk bringt eine einzigartige Aussage, eine Geschichte und mitunter eine spezielle technische Umsetzung mit sich, woraus sich ganz unterschiedliche Bedürfnisse für den Erhalt der Arbeit ergeben. In einer kostenfreien Broschüre zur Ausstellung können sich Besucher:innen über diese Themen informieren. Das Rahmenprogramm umfasst spezielle Tandemführungen mit den Schwerpunkten Restaurierung und Physik.

NEON, LED & CO. Lichtkunst aus der Sammlung Schaufler
Bis 10.08.2025
SCHAUWERK Sindelfingen, Eschenbrünnlestraße 15, 71065 Sindelfingen, Tel. 07031 932–4900 und unter www.schauwerk-sindelfingen.de.
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, 11 bis 18 Uhr
Weitere Informationen unter www.schauwerk-sindelfingen.de

„Heiß ersehntes Amerika“

Zwei Auswanderer stehen im Mittelpunkt des Buchs „Heiß ersehntes Amerika“ von Udo Zindel, das Ende des Monats erscheint. Am Donnerstag, 19. September 2024, um 19 Uhr liest der Journalist im Haus der Geschichte Baden-Württemberg erstmals aus dem Buch und spricht mit HdGBW-Ausstellungsleiter Rainer Schimpf darüber. Der Eintritt zu der Lesung mit Gespräch ist frei. Um Anmeldung wird gebeten unter veranstaltungen@hdgbw.de.


Licht und Schatten im Land der Freiheit
Als Zindels Vater Bert Heinrich nach schwerer Krankheit neuen Lebenssinn suchte, stieß er auf 23 Briefe, mit Tinte und Feder geschrieben und vor bald zwei Jahrhunderten aus Amerika an die Familie in Stuttgart geschickt. Sie stammen von zwei Brüdern, die sich als seine Urgroßonkel herausstellten. Mit seinem Sohn rekonstruierte er die Geschichte dieser Auswanderer aus der „unterbürgerlichen Claße“.

Es war ein Zufallsfund – der Vater des Autors hatte nur die Garage aufräumen wollen. Mit dem ersten Griff hielt er einen alten Holzkoffer in Händen, darin ein verschnürtes Bündel Briefe, mit Feder und Tinte geschrieben. Abgeschickt in Städten und Wildnissen der Neuen Welt, gerichtet an die Verwandtschaft daheim in Stuttgart, Königreich Württemberg.
So erfuhr die Familie zum ersten Mal vom Leben zweier Vorfahren, die 1847 ins Land der Freiheit gesegelt waren. Doch Amerika trieb damals auf das dunkelste Kapitel seiner Geschichte zu: den Bürgerkrieg. Den jüngeren der beiden Brüder verschlägt es ins Zentrum des Sklavenhandels, nach New Orleans. Er erlebt dort Gelbfieber-Epidemien mit Tausenden Toten und einen Fremden­hass, der sich neben den Dirty Irish vor allem gegen deutsche Einwanderer richtet. Und er wird bereits Zeuge gewalttätiger Versuche, die Wahlen zu manipulieren. Carl, der Ältere, lernt den Fernen Westen als einfacher Soldat kennen. Er marschiert durch Wüsten und Gebirge, schiebt Dienst in entlegenen Militär­posten und kämpft im heutigen Nevada gegen Indianer, die er eigentlich bewundert.175 Jahre nach den Brüdern fahren die Leserinnen und Leser mit auf Recherchereise von Küste zu Küste, zu Originalschau­plätzen, Archiven und Bibliotheken – und zu den Ursprüngen der Abgründe, auf die Amerika heute zusteuert.
 „Heiß ersehntes Amerika", erschienen im Osburg Verlag.
 Gebundenes Buch mit zahlr. Abb. und Karten, ISBN 978-3-95510-358-3

Udo Zindel, 1956 in Stuttgart geboren, studierte Geographie und Neuere Geschichte und war Fulbright-Stipendiat an der Arizona State University, in der Nähe einiger Originalschauplätze dieses Buches. Er arbeitete als Reporter, Redakteur und Regisseur beim Südwestrundfunk und berichtete häufig aus den USA. Seine Features wurden mehrfach ausgezeichnet. 2014 war er in der Kategorie »Beste Comedy« für den Deutschen Radiopreis nominiert.

Healing Art – Heilende Kunst

Sie träumten vom Aufbruch in ein neues Leben, gemeinschaftlich, aber frei von gesellschaftlichen Konventionen, selbstbestimmt und im Einklang mit der Natur: Intellektuelle und Künstler*innen Anfang des 20. Jahrhunderts, Teil einer alternativen Szene. Die Sonderausstellung „Heilende Kunst“ im Museum LA8 in Baden-Baden widmet sich jetzt diesem Thema mit besonderem Schwerpunkt auf künstlerische Ausdruckformen.

Else Blankenhorn, 200 SEIDUBLONEN, 1908-1919, Öl auf Leinwand, 21 x 27,6 cm, Inv.Nr. 1891c, © Sammlung Prinzhorn, Universitätsklinikum Heidelberg

Gesunde Ernährung, körperliche Fitness, Achtsamkeit, nicht zuletzt die aktuelle Klimabewegung und das Ziel die Natur zu heilen: das Bedürfnis nach einem gesunden und besseren Leben ist heute präsenter als je zuvor. Ausgehend von der Bewegung der Lebensreform greift die Ausstellung im Museum LA8 in Baden-Baden „Heilende Kunst. Wege zu einem besseren Leben“ verschiedene Formen der Heilssuche in Kunst und Gesellschaft seit dem späten 19. Jahrhundert auf. Sie fragt, woher die Sehnsucht nach einem heilsameren, gesunden Leben stammt.
Gemäß seiner Ausrichtung schaut das Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts LA8 dabei auch auf die wirtschaftliche Situation Ende des 19. Jahrhunderts; eine Zeit, in der in vereinzelten Ländern in Europa und den USA die Industrialisierung tiefgreifende Veränderungen in der Gesellschaft mit sich brachte. Die Fabrikarbeit entstand als neue Arbeitsform. Maschinelle Produktion ersetzte die Handarbeit. Arbeiter*innen wurden schlecht bezahlt. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen waren desaströs. In den immer voller werdenden Großstädten machen Anonymität, Armut und Umweltverschmutzung den Menschen zu schaffen. Als Reaktion auf dieses Klima entstand im ausgehenden 19. Jahrhundert die Bewegung der Lebensreform. Sie lieferte maßgebliche Impulse für aus ihr hervorgegangene und mit ihr verwandte Heilansätze, die in der Ausstellung aufgegriffen werden. Die moderne Zivilisation, geprägt durch Industrialisierung, Urbanisierung und Technisierung, wurde für den Verlust von humanistischen Werten und die Entstehung seelischer Krankheiten verantwortlich gemacht. Körper, Geist und Seele galten als traumatisiert. Allein die Rückbesinnung auf die Natur und eine auf im Einklang mit der Natur basierende neue Lebensführung könne Heilbringen.
Wie muss ich mein Leben ändern? – die Frage kommt uns in Zeiten von Digitalisierung und Klimawandel, Selbstoptimierung und Achtsamkeit nur allzu bekannt vor. Für die Sinnsucher*innen von damals führte der Weg zu einem besseren Leben über Alternativmedizin und Rohkost, Sport, Tanz und Spiritualität, aber auch über die heilende Wirkung der Kunst.

Hermann Hesse, Nr. 77, 1924, Aquarell, 25 x 24 cm, Privatbesitz © Martin Hesse Erben

In der Ausstellung werden Werke gezeigt, die von der Suche nach einem naturnahen Leben zeugen, und somit auf Strömungen der Lebensreform wie den Nudismus oder den Vegetarismus reagierten. Sie beginnt mit den „Propheten-Künstlern“ wie Karl Wilhelm Diefenbach (1851–1913) oder Fidus (1868–1948), alias Hugo Höppener. Als Vegetarier, Nudisten und Gründer von Lebensgemeinschaften strebten die Künstler danach, das gesellschaftliche Leben zu reformieren.
Mit dem Bedürfnis, als Kollektiv aufs Land zu ziehen und die heilsame Wirkung der Natur künstlerisch festzuhalten, bildeten sich Künstlerkolonien. Die Schau spannt einen Bogen von der Malerkolonie Grötzingen bis zum berühmten Sanatorium Monte Verità in Ascona – einer der wichtigsten künstlerischen Treffpunkte vor dem Ersten Weltkrieg. Der Mitbegründer der Kolonie Worpswede Heinrich Vogeler (1872–1942) gestaltete die Villa „Barkenhoff“ in Harmonie mit der Natur zu einem Gesamtkunstwerk. Als Beispiel für die Verschönerung des Alltags steht sie im Dialog mit Kunstobjekten und historischen Fotografien aus dem Bereich des Ausdruckstanzes und der Eurythmie, die der Anthroposophie und Rudolf Steiner nahesteht.
Beide Tanzformen ermöglichten es, sich von Normen zu befreien sowie Emotionen und Gedanken auszudrücken.
Die auf Sigmund Freuds (1856–1939) ästhetischen Studien basierende Kunstpsychologie und die Mitte des 20. Jahrhunderts aufkommende Kunsttherapie setzen an der These an, dass künstlerische Gestaltung in der Kunstproduktion und Kunstrezeption einen Heilprozess ermöglichen kann. Warum? Kunstwerke liefern einen Zugang zum eigenen Unbewussten und zu verschütteten Ressourcen. Sie aktivieren die Bearbeitung von Krankheiten und Leiden, ermöglichen eine Projektion eigener psychischer Inhalte auf die Kunst und stärken als Mittel zur Verarbeitung von Alltags- und Lebenserfahrungen das eigene Resilienzvermögen.

Ernst Ludwig Kirchner, Farbentanz, Zeichnungsstock, 1933, Holzstock, 49.9 cm x 35.1 cm x 1.4 cm, Inv. 1957 II 1a, ©Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Rudolf Steiner, Wandtafelzeichnung zum Vortrag vom 20. März 1920 in Dornach zum Thema „Heilfaktoren für den sozialen Organismus“, GA 198, Kreide auf Papier, 104 x 154 cm, ©Rudolf Steiner Archiv, Dornach, Schweiz

Werke von Rudolf Steiner (1861–1925) und Emma Kunz (1892–1963) vermitteln visionäre Heilansätze und veranschaulichen die therapeutische Wirkung von Spiritualität. Zeitgenössische Arbeiten von Joseph Beuys (1921–1986) beleuchten das Thema Heilkraft der Kunst und ihr gesellschaftsveränderndes Potenzial aus einer jüngeren Perspektive. In dem kunsttherapeutischen Kontext werden Arbeiten von psychisch Kranken aus der Sammlung Prinzhorn, Heidelberg gezeigt, etwa von Else Blankenhorn oder dem Surrealisten August Natterer. Zusammen mit Werken von Hermann Hesse und Frida Kahlo zeigen sie Heilungsprozesse und Bewältigungsstrategien von Künstler*innen auf, die Kunst als Therapiemaßnahme entdeckten. Begleitet wird die Schau von einem umfassenden museumspädagogischen Programm. Zur Ausstellung ist ein Begleitband im Deutschen Kunstverlag erschienen. Expert*innen für Lebensreformbewegungen, Psychologie, Kunsttherapie und Kunstgeschichte betrachten dort die unterschiedlichen Facetten eines Strebens nach Heilung und erörtern die Aktualität des Themas.

Ausstellungsansicht „Heilende Kunst. Wege zu einem besseren Leben“. C. Grötzinger Malerkolonie, Städtische Galerie Karlsruhe © E. Mahfoudhi

Dauer der Ausstellung: noch bis 12. Januar 2025

Rahmenprogramm:
Natur als Ressource
Aquarelle von Hermann Hesse zeugen von intensiven Naturerlebnissen, die ihm halfen, private Rückschläge zu verarbeiten. In diesem Workshop können nach der Bildbetrachtung eigene Aquarelle aus Pflanzenfarben gestaltet werden.
Termin: 21.12.2024 /Zielgruppe: Erwachsene

Bildbetrachtung mittels Poesie
Ein ausgewähltes Landschaftsbild wird gemeinsam betrachtet und aus mehreren Gedichten ein passendes ausgesucht. Gibt es persönliche Erinnerungen an ähnliche Naturerlebnisse? In der Werkstatt können Bilder zu den eigenen Naturerlebnissen oder zu Gedichten künstlerisch gestaltet werden.
Termin: 11.01.2025
Zielgruppe: Erwachsene
Personenanzahl: bis 8 Personen

Creative Sunday
Alle sind eingeladen in die Welt der Kreativität einzutauchen, den Gedanken freien Lauf zu lassen und sich eine Auszeit zu gönnen. Ob Papier, Wolle, Holz oder ein Tortengitter: man kann mit  verschiedenen Materialien arbeiten und unterschiedliche künstlerische Techniken ausprobieren.
Wann: Die Workshops finden einmal im Monat sonntags von 14 Uhr bis 16 Uhr statt. Die nächsten Termine sind: 27. Oktober, 24. November, 22. Dezember 2024
Kosten: 7 Euro pro Person; für Kinder mit Familienpass ist die Teilnahme kostenlos; Anmeldung: 07221 / 9954586 (Kasse/Zentrale), Email: carolin.osten@grenkestiftung.de

Yoga
Im wunderschönen Spiegelsaal des Museums findet  Vinyasa-Yoga statt
Wann: 23.9.2024, 7., 21. und 28.10.2024, 18.11.2024, 2. und 16.12.2024, 8.1.2025
Von 17:30 Uhr bis 18:30 Uhr im  Spiegelsaal des Kulturhauses LA8
Mit Elena Korowin (Kunstwissenschaftlerin, Yogalehrerein, Fitnesscoach)
Kosten: 10 Euro pro Sitzung und pro Person, 2 Euro Ermäßigung bei einem Ausstellungsbesuch.  Eigene Sportmatte ist mitzubringen.
Anmeldung: 07221 / 9954586 (Kasse/Zentrale), Email: info@museum.la8.de

Weitere Info:

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Blütenpracht, Vögel und Früchte in der ostasiatischen Malerei

Die Ausstellung „Strahlende Sommertage“ (noch bis bis 3. November) zeigt Blütenpracht, Vögel und Früchte in der ostasiatischen Malerei.

(c) Linden-Museum-Stuttgart-Foto-Dominik-Drasdow

Die Kabinettausstellung im Linden Museum Stuttgart präsentiert Arbeiten der Künstlerin Monika Hoffer gemeinsam mit Werken der Blumen- und Vögel-Malerei bekannter chinesischer und japanischer Künstler des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Museumssammlung. Dieses unter den traditionellen Gelehrten Ostasiens sehr geschätzte Genre zielt auf die Vereinigung der objektiven und der subjektiven Welt, das Verschmelzen von eigenem Fühlen und Naturbetrachtung. In den Bildern spiegeln sich so die Persönlichkeiten der Künstler:innen, die jedoch gerade durch die genaue Beobachtung der Motive geprägt und verfeinert wurden. Monika Hoffer beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit Malerei im chinesischen Stil.

Ostasien-Abteilung im Linden Museum Stuttgart
Die Dauer-Ausstellung zeigt antike und moderne Skulpturen, Architekturfragmente, Gemälde, Textilien und vielfältige Gebrauchsgegenstände, die unter anderem aus Indien, Afghanistan, Pakistan, Sri Lanka, Myanmar, Thailand, Vietnam, Kambodscha, Indonesien und Tibet stammen. Ziel der Ausstellung ist es, die alten Religionen Südasiens – Buddhismus und Hinduismus, aber auch kleinere Religionen wie den Jainismus – anhand von Kunstwerken vorzustellen.

Goldbergs Traum

Nach der Augmented-Reality-Installation Resonanz und dem Hologramm-Konzert HOLO HARMONIES bringt das Stuttgarter Kammerorchester (SKO) nun ein weiteres Extended-Reality-Konzert auf die Bühne – am Feiertag 3. Oktober 2024 im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle. Das Konzert „Goldbergs Traum“ wird erneut zeigen wie konsequent und mit nachhaltigem Erfolg das Orchester am immersiven Konzerterlebnis der Zukunft arbeitet.

Goldbergs Traum Prävisualisierung Konzertsituation

Die Werke, die das SKO an diesem Abend zusammenspannt, stammen aus drei ganz unterschiedlichen Epochen der Musikgeschichte. Und stehen doch in ein und derselben kompositorischen Traditionslinie. Bachs Goldberg-Variationen (hier in einer Version für Streichorchester), Terry Rileys Minimal-Music-Klassiker „In C“ sowie die Uraufführung „This is Water“ von Gerriet K. Sharma.

Goldbergs: Traum Prävisualisierung Roboter-Hund SPOT

Das Bühnenszen: Der Roboterhund SPOT, ein KUKA-Roboter, die auf drei große Screens projizierten, sphärischen Animationen sowie zwei 360º-Lautsprecher. Für das Gesamtkonzept zeichnet ein Duo verantwortlich, das bereits an den beiden vorhergehenden Digitalproduktionen federführend beteiligt war: XR-Regisseurin Jana Günther und SKO Intendant Markus Korselt. Wie bereits bei HOLO HARMONIES ist Moritz Mayerhofer als Animation Director mit dabei. Unterstützt werden sie von der preisgekrönten 3D-Audio-Schmiede DELTA Soundworks, die sich auf Klangszenarien für interaktive XR-Anwendungen spezialisiert hat. Im Zusammenspiel mit dem SKO schaffen sie eine spektakuläre audiovisuelle Meta-Ebene und lassen das Publikum eintauchen in eine völlig neue Dimension des Musikerlebens.

Weltpremiere Goldbergs Traum – ein Extended Reality-Konzert

Donnerstag, 3. Oktober 2024 um 19:30 Uhr in der Stuttgarter Liederhalle, Beethovensaal
Werke: Johann Sebastian Bach: Goldberg-Variationen bearbeitet für Streichorchester,
Uraufführung Gerriet K. Sharma: This is Water – Auftragswerk des SKO, Terry Riley: In C

Weitere Info: https://stuttgarter-kammerorchester.com