Kunststoff − Zauberstoff: Freiheit und Grenzen der Gestaltung

Die HFG-Archiv Museum Ulm gibt mit ihrer Ausstellung Kunststoff − Zauberstoff: Freiheit und Grenzen der Gestaltung Einblicke in ihre eigene Geschichte als wichtiges Zentrum für wegweisende Entwicklungen, denn von 1953 bis 196 waren ihre Werkstätten zentrale Orte des Experimentierens und der Umsetzung neuer Designentwürfe. In der Gips-, Holz- oder Metallwerkstatt entstanden erste Entwürfe und Modelle. Eine Kunststoffwerkstatt war zwar angedacht, wurde aber erst im Sommer 1959 eingerichtet. Von den Quadratmetern her der kleinste Raum, nutzten die Angehörigen der Abteilungen Produktgestaltung und Bauen sie besonders intensiv: Das neue Material eignete sich für den Modellbau und war zugleich eine Verheißung für die Gestaltung zukünftiger Industrieprodukte.

Netz mit Strukturellen Aufgaben, Günther Schmitz (Dozent), Fritz Stuber (Student), Kunststoff, 1963-64, HfG-Archiv – Museum Ulm, Foto Oleg Kuchar

Firmen wie Bayer und BASF sorgten mit großzügigen Materialspenden dafür, dass der Designer-Nachwuchs das Material kennen und schätzen lernte. Wie kein anderer Werkstoff stehen Kunststoffe für die Demokratisierung in der Welt der Dinge. Sie eignen sich als Ersatz für traditionelle Materialien, sind billiges Ausgangsmaterial für massenhaft hergestellte Pfennigprodukte, unverzichtbar in der Medizintechnik oder Automobilindustrie. Sie können zu beliebigen Formen gegossen, gezogen, aufgeblasen werden und jede denkbare Farbe erhalten. Spätestens seit den 1970er Jahren traten sie im Konsumgüterbereich ihren Siegeszug an.

Hans Gugelot mit Rolf Garnich, Küchenmaschine KM4, Auftraggeber Braun, 1959. Holz und Kunststoff, Nachbau von Rolf Garnich (Modell), © HfG-Archiv – Museum Ulm, Foto Oleg Kuchar

Die Entstehungsgeschichte der modernen Kunststoffe ist eng mit der Entwicklung der Wissenschaften im 19. Jahrhundert und der Industrialisierung in Europa verbunden. Die Chemie entfernte sich von den alchemistischen Überlegungen der Einheit von Menschen und Substanz und der Chance ihrer gemeinsamen Entwicklung, wie sie etwa in der Vorstellung vom Stein der Weisen zum Ausdruck kam. Die Natur wurde zum Materiallager, das beliebig ausgebeutet werden konnte.

Bushaltestelle, Herbert Lindinger und Claude Schnaidt (Dozenten), K. Gröbli, J. C. Ludi, R. Schärer, M. Weiß (Studenten),
1967-68, Kunststoff und Papier, © HfG-Archiv – Museum Ulm, Foto Ernst Fesseler

Die HfG Ulm war ein Projekt der Moderne. Mit Hilfe von Technik und Wissenschaft wollten ihre Mitglieder unsere alltägliche Umwelt nachhaltig und gut gestalten. Sie wollten mitwirken an der Einrichtung einer besseren Welt, in der alle Menschen in Freiheit, Sicherheit und ausreichend versorgt miteinander leben können. Von diesem Ideal sind wir heute mindestens so weit entfernt wie in den kargen Nachkriegsjahren: Auch in der Waffentechnik haben Kunststoffe ihren Einzug gehalten, und neben hochwertigen Gebrauchsgütern produzieren wir vor allem Verpackungsmüll.

Walter-Zeischegg-Wellflächenascher in Olympiafarben 1966 Foto Oleg-Kuchar (c) HfG Archiv-Museum-Ulm

Dauer: Bis 7. Januar 2024.
Weitere info: https://museumulm.de
Zur Ausstellung im HfG-Archiv gibt es ein
Veranstaltungsprogramm, ein sehenswertes Einführungsvideo sowie einen Katalog (avedition)