Das Bilderhaus in Gschwend

Im Jahr 1987 begann eine Gruppe engagierter Kulturschaffender, ein erlesenes Kulturprogramm für den Schwäbischen Wald zu entwickeln. Seitdem bietet das Bilderhaus Gschwend ein abwechslungsreiches und außergewoöhnliches Kulturprogramm, in dessen Kontext Geistesgrößen unserer Zeit eingeladen werden – Philosophen, Wissenschaftler und Politiker treten in thematischen Vortragsreihen in den Dialog mit den Zuhörern.

Junge, internationale Musiker, Geistesgrößen und Weltstars aus Klassik und Jazz – im Bilderhaus in Gschwend geben sie sich seit vielen Jahren die Klinke in die Hand. Das Credo der Initiatoren lautet: Mit Kunst neue Blickwinkel auf Bekanntes zu ermöglichn und mit ihr Neues und Unbekanntes verstehen lernen, indem nicht nur Zerstreuung und Unterhaltung geboten, sondern auch Foren der Begegnung und der Auseinandersetzung geschaffen werden.
Zu den Initiatoren gehört Martin Mühleis, der die Künstlerische Leitung übernommen hat. Als Inhaber der Stuttgarter Agentur sagas verantwortet er Kunst- und Kulturprogramme jenseits des Mainstreams. Besonders seine komplexen literarisch-musikalischen Revuen bis hin zu berührend leisen Wortprogrammen haben sich in den vergangenen Jahren einen festen Stammplatz in den Spielplänen erspielt. Dadurch verfügt er nicht nur über ein breites Netzwerk zu prominenten Künstlerpersönlichkeiten, sondern versteht sich auch darauf, eine stringentes und akzentuiertes Gesamtprogramm zu erarbeiten, das auch dem jährlichen Höhepunkt, dem Gschwender Musikwinter, sein ganz besonderes Profil gibt.

Das jährlich wiederkehrende Festival Gschwender Musikwinter ist interdisziplinär und spannend, weil es mit seinem vielfältigen und anspruchsvollen Programm nicht nur Musik und Literatur bietet, sondern sich auch ganz aktuellen Fragen unserer Zeit stellt. So widmet sich die Reihe „rendezvous“ einem bestimmten gesellschaftsrelevanten, aktuellen Thema und lädt dazu faszinierende und interessante Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft ein. Daraus entsteht ein Mosaik aus gesellschaftspolitischen Vorträgen und angeregten Diskussionen, die – ganz im Sinne des Bilderhaus-Kulturkonzepts – verschiedene Perspektiven auf ein bestimmtes Thema ermöglichen. Und natürlich stehen gemäß dem Titel der Reihe die Begegnungen im Mittelpunkt, zum Beispiel mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Dr. Joachim Gauck, Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble, den Wirtschaftsführern Edzard Reuter und Daniel Goeudevert sowie Wissenschaftlern wie Meinhard Miegel.

Unter der Überschrift „JazzClub“ – Weltstars des Jazz zu Gast in Gschwend – sind musikalische Ausnahmegrößen zu Gast. Zu hören waren bisher bereits u. a. Michael Brecker, Charlie Haden, Carla Bley, Jan Garbarek oder Richard Galliano. Der JazzClub des Musikwinters ist die älteste Jazz-Reihe der Region und war Inspiration und Anstoß für verschiedene Jazzfestivals, u. a. für das Aalener Jazzfest, die Jazz-Mission in Schwäbisch Gmünd und das JazzArt-Festival in Schwäbisch Hall.

Ein weiterer wichtiger Programmbaustein bildet „Klassik – Sternstunden der Kammermusik“. Als der Geiger Gidon Kremer von der New Yorker Carnegie Hall angefragt wurde, dort sämtliche sechs Sonaten und Partiten für Violine solo von Johann Sebastian Bach zu spielen, nutzte er eine Einladung des Musikwinters, um hier, zum ersten Mal in seiner Karriere, dieses Programm auf die Bühne zu bringen. Die Meister-Bratschistin Kim Kashkashian war schon mehrfach zu Gast – und das legendäre Melos-Quartett spielte einst eines seiner letzten Konzerte in der durch den hohen Holzanteil so wunderbaren Akustik der Evangelischen Kirche von Gschwend. Auch Sabine Meyer konzertierte schon häufig beim Musikwinter, u. a. mit dem Solo-Oboisten der Berliner Philharmoniker Albrecht Mayer. Die vier Ausnahmemusiker des Fauré Quartetts waren bereits „Artists in Residence“ in Gschwend.

Last but not least bietet „Literarisches“ faszinierende Lesungen und Literaturbegegnungen mit bekannten Schauspielern wie Rosemarie Fendel, Eva-Maria Hagen, Suzanne von Borsody, Walter Sittler, Christian Brückner und Uwe Ochsenknecht. Zu Gast waren aber auch Literaturkritiker, darunter Joachim Kaiser und Sigrid Löffler sowie renommierte Journalisten wie Ralph Giordano, Friedrich Nowottny und Gerd Ruge. Nicht zu vergessen natürlich die Protagonisten der Literatur: die Autoren und Übersetzer. Peter Turrini, Feridun Zaimoglu und Hallgrímur Helgason sind nur einige große Namen, die im Bilderhaus ihre Werk vorgestellt haben.

Zur Geschichte von Gschwend und Bilderhaus
Gschwend ist ein mehr als 800 Jahre altes Marktdorf und liegt am Fuße der Ostalb. Der Vieh- und Krämermarkt hat in der Geschichte des Dorfes eine zentrale Rolle gespielt, ebenso wie der Marktplatz als Mittelpunkt des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Dem Umstand, dass Gschwend für die umliegenden Höfe, Weiler und Dörfer das Zentrum war, ist die hohe Dichte an Gasthoöfen geschuldet, die es hier einst gab. Gschwend ist aber auch „Kuünstlerdorf“: Freiherr Friedrich von Schmidt, einer der bedeutendsten Baumeister des 19. Jahrhunderts und Erbauer des Wiener Rathauses, blickte hier als Fritz Schmidt, Sohn des Dorfpfarrers, das Licht der Welt. Peter Jacob Schober, einer der bedeutendsten Maler im deutschen Südwesten zu Beginn des letzten Jahrhunderts und, neben Willi Baumeister und Reinhold Nägele, Mitbegründer der Stuttgarter Sezession, ist hier geboren und aufgewachsen. Der bedeutende Bildhauer Fritz Nuss, lebte in Gschwend und einige Schauspieler des Berliner Gründgens- Ensembles.
Seit den 1970-Jahren wurde es ziemlich still, denn der Ort bot nicht jene modernen Standortfaktoren, die damals gefragt waren, und verlor den Anschluss an die rasant fortschreitenden wirtschaftlichen Entwicklungen. Gemeinsam mit einigen Mitstreitern der Initiative „Kunst und Kultur in Gschwend“, Vorläufer des  „Bilderhaus e.V.“, entdeckte schließlich Martin Mühleis das Potenzial der kleinen Ortschaft, knüpfte an ihre alten Traditionen an, belebte sie neu und machte aus Gschwend einen besonderen Ort der Kultur. Dazu entwickelte er ein Konzept, das auch die ortsansässige Gastronomielandschaft miteinschloss.