Die Sammlerdichte ist in Baden-Württemberg überdurchschnittlich groß, das Land ist reich an Privatpersonen, die mit Spürsinn, Leidenschaft und Ausdauer ihre ganz eigenen und individuellen Wege mit dem Erwerb von Kunstwerken verfolgen. Bedeutende Kunstsammlungen sind so entstanden. In den letzten Jahren wurden überdies einzigartige Museen gebaut, die jenen heute ein Zuhause sind und dadurch auch für die Öffentlichkeit sichtbar und zugänglich wurden.
Die Motive Kunst zu sammeln sind sehr vielfältig und unterschiedlich: Zwischen Liebhaberei, Mäzenatentum und Professionalität gibt es vielfältige Spielräume für Vorlieben und Leidenschaften, für das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Repräsentation. Subjektiv, nicht der Öffentlichkeit verpflichtet, können Kunstsammler über Jahre oder gar Jahrzehnte ganze Werkkomplexe zusammentragen, spannende Positionen und Entwicklungen von Künstlern längerfristig begleiten und spontan kaufen. Viele von ihnen besitzen Tausende von Kunstwerken, die sich heute oftmals kein staatliches oder städtisches Museum in Zeiten knapper Kassen mehr leisten kann.
Bei unseren vielen Begegnungen mit Sammlern und ihren Sammlungen in den letzten zehn Jahren wurde immer wieder deutlich, dass der Grundstein für die Liebe zur Kunst zumeist in einem Schlüsselerlebnis in der Kindheit zu finden ist. Frieder Burda beispielsweise antwortete auf die Frage nach dem Ursprung seiner Sammlerleidenschaft:„Meine Eltern waren sehr erfolgreiche Unternehmer und Verleger und haben schon immer eine Beziehung zur Kunst gehabt. Die Wurzeln meines Sammelns liegen eindeutig im Elternhaus. In einem Haus aufzuwachsen, in dem es wunderbare Bilder gibt – das bleibt haften. Ich erinnere mich an die Worte meines Vaters, der, wenn er von einem wichtigen Besuch bei großen Kunden nach Hause kam, oft enttäuscht beklagte: Das ist ein Haus ohne Bilder! Wie kann man ohne Kunst leben, fragte er. Bei uns ist sogar oftmals ein erfolgreicher Geschäftsabschluß mit dem Kauf eines Gemäldes gefeiert worden. Kunst war für uns zuhause eine Selbstverständlichkeit. Das hat mich sicherlich geprägt. Der Funke des Sammelns ist von meinen Eltern auf mich übergesprungen.“
Zwischen Unsicherheit und Freiheit
Wie viel Unsicherheit am Anfang einer Sammel-Leidenschaft aber stehen kann, darüber berichtet der Unternehmer und Sammler Peter Klein (Kunstwerk Nussdorf) ganz offen vor dem Bild, welches heute in seinem Büro hängt, dem des Malers Wolfgang Kappis: ein Architekt nahm Peter Klein mit auf eine Vernissage des Malers, dort begann er mit dem Künstler zu reden „…und auf einmal stellte ich fest, dass es ja noch eine ganz andere Welt gibt als meine, die von Rendite und der Welt des Kapitals geprägt ist“. Spontan kaufte er eines der Aquarelle, 4000,- DM hat es damals gekostet und Peter Klein war voller Gewissensbisse so viel Geld für ein Bild ausgegeben zu haben. Heute ist sich Peter Klein jedoch mehr als sicher, dass es die richtige Entscheidung war, weil er die Werke liebt die er kauft und darin der sichere Wert liegt. Das Bild von Wolfgang Kappis ist ihm immer noch eines der liebsten: „weil es alles auf den Weg gebracht hat“. Kunst ist zu einem zentralen Teil seines Lebens geworden.
Dagegen schwärmt der Sammler Adolf Würth von der Freiheit eines Kunstsammlers: „Wenn mir ein Werk nicht gefällt, kaufe ich es nicht, auch wenn es eigentlich in die Sammlung gehörte. Denn wenn man heute in die großen Museen geht in der Welt, dann hat man überall die gleichen Namen wie Warhol, Chilida, Lichtenstein, Lüpertz, Picasso sowieso, Gauguin und so weiter, so dass man am Ende beliebig in die großen Kunstmuseen gehen könnte und nicht wissen würde ob man in Sydney ist, in Sao Paolo, oder Los Angeles, überall sieht man sozusagen das Gleiche. Ich kann mir als Privatsammler leisten, dass ich da andere Akzente setze und zusätzliche Tupfer in die Sammlung hineinbringe. Wenn mir jemand vorwirft, die Sammlung habe eigentlich kein Gesicht, weil sie querbeet ausgerichtet ist, dann antworte ich, so ist nun einmal die Kunst, sie ist querbeet und heterogen“.
Das eigene Museum – ein Kulminationspunkt
Reinhold Würth, Frieder Burda, Marli Hoppe-Ritter, Siegfried Weishaupt oder das Ehepaar Klein, Familie Schaufler, Frau Biedermann, Herr Rentschler, all diese Persönlichkeiten haben ihren Sammlungen zuletzt doch noch ein eigenes Haus gebaut. Das Lebenswerk des Sammlers kulminiert nun fortan in einem eigenen Museum.
Das über die Jahre entwickelte und individuell geprägte Sammlungsprofil sucht und will am Ende doch die Möglichkeit der Sichtbarkeit des Gesamten. Die Werke sollen heraus aus den Archiven, der Weg des Sammlers soll sichtbar werden, im Durchschreiten der Sammlungsräume ermöglicht sich ein Leben mit den liebgewonnenen Werken und die Teilhabe am Erreichten mit der Öffentlichkeit.
Heute gibt es in Baden-Württemberg so viele Privatmuseen wie sonst nirgendwo in Deutschland. Sicherlich mögen Pioniere wie Reinhold Würth und Frieder Burda mit ihren frühen Bestrebungen – nicht mehr nur Leihgeber für staatliche Museen sein zu wollen, sondern eigene Häuser sowie einen daran angeschlossenen professionellen Museumsbetrieb zu erschaffen, mit zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Eine besondere Entwicklung um so mehr, bedenkt man, dass gerade hier im Land, nach wie vor ja gerne auf Understatement und Bescheidenheit gesetzt wird.
Viele Sammlerpersönlichkeiten beweisen heute Mut und Selbstbewusstsein, wenn auch sie ihre bisher in Magazinen oder privaten Räumen befindlichen Werke nun der Öffentlichkeit präsentieren. Mut, auch deshalb, weil man ganz private und persönliche Kunstvorlieben und -entscheidungen preis gibt und damit angreifbarer wird. Mut aber auch, weil jeder Sammler innerhalb dieser neu entstandenen Museumslandschaft Profil zeigen muss zum Beispiel mit immer neuen Ausstellungen, anspruchsvollen Begleitprogrammen wie Künstlergespräche, Vorträge und Führungen. Denn auch die Ansprüche des Publikums wachsen: es kommt nicht mehr nur um Bilder anzuschauen, sondern will den berühmten „Mehrwert“ bei einem solchen Museumsbesuch erleben, sei es dabei nun den Blick auf den oder die Sammler zu werfen oder ein persönliches Gespräch mit Künstlern oder Kuratoren führen zu können.
Eines ist gewiss: Der Kunstbetrieb kommt heute nicht mehr an Sammlerinnen und Sammlern vorbei. Sie gehören zum Kunstgeschehen und bestimmen inzwischen wesentlich mit, was dem Publikum an zeitgenössischer Kunst vermittelt wird.
Quelle: Der Text stammt aus dem Bildband Private Art Collections – Private Kunstsammlungen in Baden-Württemberg (2011) Hrsg Claudia Fenkart-Njie