Kunst im Cyperspace

Technologischer Fortschritt trifft auf kreative Freiheit, die jedoch auch ihre Schattenseiten birgt. Eine analoge Ausstellung im Zeppelin Museum Friedrichshafen und ein virtuelles Kunstprojekt an der Kunsthalle Mannheim haben sich mit dem Phänomen auseinandergesetzt – beide stellen wir ihnen nachfolgend vor.

Einführung– Im heutigen digitalen Zeitalter hat der Begriff „Crypto“ eine immer größere Bedeutung erlangt. Der Cyberspace ist zu einem Ort geworden, an dem Innovation und Kreativität aufeinandertreffen. Hier haben sich nicht nur Unternehmen und Technologiebegeisterte versammelt, sondern auch die Kunstszene hat Einzug gehalten. Immer mehr Künstlerinnen und Künstler nutzen die Möglichkeiten des Internets, um ihre Werke einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und neue Ausdrucksformen zu finden. Zum Beispiel im Kreieren von sogenannten Nicht-fungible Tokens, kurz NFTs. Sie ermöglichen es, digitale Inhalte wie Kunstwerke, Musik und Videos als einzigartige digitale Objekte ohne Zwischenhändler oder Galerien weltweit zu verbreiten und zu verkaufen. Dabei spielt auch künstliche Intelligenz eine entscheidende Rolle. Diese ermöglicht es den Künstlerinnen und Künstlern, mit Algorithmen zu experimentieren und einzigartige Werke zu schaffen. Einer der Hauptvorteile von NFTs besteht darin, dass sie die Authentizität und Einzigartigkeit digitaler Werke garantieren können. Durch die Verwendung einer Blockchain-Technologie werden Informationen über den Besitz des NFTs transparent und unveränderbar gespeichert. Dies schafft eine neue Art von Wert für Künstlerinnen und Künstler sowie Sammlerinnen und Sammler. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit der direkten Monetarisierung von digitalen Inhalten durch ihre Verbindung mit NFTs. Kreative können ihre Werke als NFT verkaufen und davon profitieren, jedes Mal wenn ihr Werk weiterverkauft wird im Gegensatz zum traditionellen Modell des einmaligen Verkaufsrechts. Jedoch gibt es auch einige Nachteile bei der Nutzung von NFTs. Eine Herausforderung liegt in den hohen Transaktionsgebühren und dem hohen Energieverbrauch beim Betrieb von Blockchains. Ein weiteres Problem sind Urheberrechtsfragen: Da digitale Inhalte leicht kopiert werden können, besteht die Gefahr von Plagiaten oder Diebstahl geistigen Eigentums. Obwohl die Blockchain-Technologie dazu beitragen kann, den Besitz des Originalwerks nachzuweisen, muss weiterhin an Lösungen gearbeitet werden, um das geistige Eigentum effektiv zu schützen. Zudem äußern Künstler auch ihre Kritik am Cyberspace über ihren Wirkungskreis hinaus und weisen mit künstlerischen Mitteln auf die Nachteile und Missstände im Bereich Wissenschaft und Finanzwesen hin. So entsteht auch in der virtuellen Welt eine neue Form der Kunstkritik, aber auch eine neue Form einer kritischen Auseinandersetzung an unserer Welt. Besonders junge Künstlerinnen und Künstler nutzen diese Möglichkeiten und begeistern damit eine ebenfalls junge Zielgruppe, die über die analoge Welt oft schon gar nicht mehr zu erreichen wäre. Eines ist klar: Die virtuelle Realität kann niemals das echte Erleben und Schaffen von Kunst und Kultur ersetzen, aber sie kann neue Zielgruppen erreichen und Menschen weltweit verbinden. Durch den Einsatz von Technologie darf aber der persönliche Bezug nicht verloren gehen. Vielmehr sollten wir in der Virtualität eine Ergänzung sehen und als Spielraum für Experimente. Wenn wir die Stärken und Grenzen der jeweiligen Möglichkeiten – analog und digital – noch besser erkennen und voneinander abgrenzen, werden wir beide Welten künftig noch sinnvoller nutzen können. Nur so können wir sicherstellen, dass künstlerische Ausdrucksformen ihre volle Bedeutung entfalten können und die Vielfalt der Kunst weiterhin bestehen bleibt.

Cryptogallery #ONE in Decentraland

Die Cryptogallery #ONE ist ein virtuelles online Kunstprojekt im Metaversum Decentraland von Christoph Faulhaber in Kooperation mit der Kunsthalle Mannheim. Botto ist das bislang radikalste Projekt zur Umsetzung einer vollständig autonom sich selbst generierenden Kunst in die bereits alle Aspekte der Kreation, ästhetischen Beurteilung und Ökonomisierung eingeschlossen sind.

Kommt nach dem Ende der Autonomie der Kunst die Evolution des autonomen Künstlers? Die Frage, ob eine selbstlernende Kunst-Maschine originäre Kunst schaffen kann und als eigenständiger Künstler anerkannt wird, versucht Mario Klingemann, KI-Künstler und Schöpfer von Botto seit 2021 auf exemplarische und experimentelle Weise zu beantworten. Noch bis 10. März 2024 präsentiert die CRYPTOGALLERY #ONE den dezentralisierten autonomen Künstler Botto, einen der ersten seiner Art weltweit.

botto@cryptogallery#one, Außenansicht Galerie
Chatbot Ruja Ignatova © Christoph Faulhaber / Kunsthalle Mannheim 2022

Jede Woche erstellt Botto autonom ca. 8000 Bilder. Aus diesen Bildern werden anhand eines Geschmacksmodells die besten herausgefiltert. Dieser Prozess erfolgt ohne menschlichen Eingriff. Bilder und Texteingaben, die sogenannten „prompts“, werden dabei nicht verändert. Der einzige Trainingsinput erfolgt, indem die Botto-Community (BottoDAO) über ihre Lieblingsstücke aus dem Pool von Bildern abstimmt, die ihnen vom Geschmacksmodell vorgeschlagen wurden. Die Abstimmung wird in den Botto Kanälen des Instant Messengers Discord durchgeführt. Dabei können die Mitglieder ihre persönlichen Vorlieben und kuratorischen Entscheidungen näher ausführen. Das Geschmacksmodell von Botto, seine Urteilsfähigkeit, wird also im Laufe der Zeit durch das Feedback der Community geprägt. Nur das beliebteste Werk einer Abstimmungsrunde wird schließlich als NFT geprägt, verkauft und erhält die höhere Weihe eines vollendeten Kunstwerks. Der Erlös aus dem Verkauf fließt zurück in die Gemeinschaft, um sie für ihre Beiträge zu entlohnen und Betriebskosten von Botto zu decken. Dieser wirtschaftliche Aspekt ist ein wesentliches Merkmal Bottos, das Mitwirkende anzieht, den kreativen Prozess aufrechterhält und Botto nicht nur ästhetisch, sondern auch wirtschaftlich generativ macht. Mehr erfahren unter: www.botto.com
In der CRYPTOGALLERY #ONE zeigen Christoph Faulhaber und die Kunsthalle Mannheim eine Auswahl von Werken Bottos, die aus verschiedenen Perioden des evolutionär anwachsenden Gesamtwerkes entstammen. Die Titel der Werkperioden werden von der Community vorgegeben und stellen die einzige direkte Einflussmöglichkeit auf Botto dar: Rebellion, Paradox, Fragmentation, Genesis und Absurdism.
Besuch der Ausstellung:
Die CryptoGallery #One kann man nur online von zu Hause aus über die Plattform Decentraland erreichen. Der Login als Gast ist kostenlos. Mehr Informationen und Zugangslink finden Sie unter https://www.kuma.art/de/cryptogallery-one-0
Der Besuch Decentralands setzt eine gute Internetverbindung sowie bestimmte Hardwarespezifikationen voraus, da es sonst zu ruckelnden Bewegungen oder Abbrüchen kommen kann. Nähere Informationen und Tipps findet man direkt bei Decentraland. Alternativ dazu gibt es eine Kuratorenführung mit Heiko Daniels im Auditorium der Kunsthalle Mannheim. Die CryptoGallery #One ist dann als Beamerprojektion zu erleben. Die nächsten Kuratorenführungen finden am 24.05. um 18.00 Uhr, am 14.06. um 18:30 Uhr und am 19.07. um 18.30 Uhr statt.

Kryptomania.
Die Verheißungen der Blockchain

Sind Kryptowährungen ein unkalkulierbares Spekulationsobjekt oder alternative Zahlungsmittel? Befördern sie radikale Dezentralität oder technologische Monopole? Werden sie zu Klimakillern oder stärken sie Transparenz, Selbstbestimmung und Demokratisierungsprozesse? Bei Bitcoin, Ethereum und Co scheiden sich die Geister. Die Ausstellung „Kryptomania. Die Verheißungen der Blockchain“ bringt im Zeppelin Museum Friedrichshafen Werke zeitgenössischer Künstler*innen unterschiedlicher Perspektiven zusammen, um die Potentiale und Risiken von dezentralem Internet, digitalen Zahlungsmitteln oder NFTs kritisch einzuordnen.

Noëlle Kröger, Dr. Julia Schneider, Non-Fungible Comic, 2022-2023 Zeichnungen und Text © Noëlle Kröger, Dr. Julia Schneider, nonfungiblecomic.org
Demokratisierung zählt zu den zentralen Versprechen der Blockchain. BeeDAO ist eine web3-Organisation, die artenübergreifende Demokratie und Ökonomie prototypisch untersucht und praktiziert.. © Zeppelin Museum Friedrichshafen, Foto/Photo: Tretter ZM_
Im Themenbereich Nachhaltigkeit findet sich das Video Crypto Farmers des Künstlers Nick Aldridge, das zeigt, wie sich Bauern in Wales mithilfe von Kryptomining-Anlagen, die durch die bei der Tierhaltung anfallenden Biogase betrieben werden, neue Verdienstmöglichkeiten erschließen. / The Sustainability section includes the video Crypto Farmers by artist Nick Aldridge, which shows how farmers in Wales are opening up new earning opportunities with the help of cryptomining systems powered by the biogases produced by livestock farming. © Zeppelin Museum Friedrichshafen, Foto/Photo: Tretter

Wie nichthierarchische Organisationsstrukturen im Digitalen neue Räume für Kollaboration, Aktivismus und Widerstand öffnen und wie eine Gesellschaft aus menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren funktionieren könnte, untersucht das BlockLab mit praktischen Grundlagen, sodass die lernende Ausstellung durch den Diskurs mit ihren Besucher*innen stetig wächst.
Kryptowährungen basieren auf der Blockchain-Technologie. Ihre Erfindung kommt vielen einer digitalen Revolution und Zeitenwende gleich: Digitale Zahlungen können in Sekundenschnelle und autonom, ohne Intermediäre wie Banken, verschickt werden, da die Gültigkeit der Transaktionen durch die Transparenz der Blockchain zu jeder Zeit und an jedem Ort nachvollziehbar ist. Kryptowährungen ermöglichen dadurch, so die Verfechter*innen, barrierearme Zugänge zum Finanzsystem, DAOs (Dezentralisierte Autonome Organisationen) etablieren digitale Genossenschaftsformen, Smart Contracts ersetzen Banken oder Notare, Tokenisierungen schaffen Teilhabe an Vermögenswerten. In El Salvador werden Kryptowährungen bereits zum gesetzlichen Zahlungsmittel. Doch was bedeutet Demokratisierung und wie dezentral operieren Blockchain-Technologien wirklich? Kann die Macht globaler Unternehmen reduziert werden oder bilden sich neue Monopole in finanzieller und technologischer Hinsicht? Und was bedeutet es, wenn ein hoch verschuldeter Staat wie El Salvador auf eine volatile Kryptowährung setzt?
Die Ausstellung nimmt sich dieser Fragen in der Auseinandersetzung mit verschiedenen künstlerischen Positionen an. Kollaborationen menschlicher und nichtmenschlicher Akteure, veränderte Möglichkeiten des politischen Aktivismus und DAOs als neue Organisationsformen werden mit ihren Chancen und Risiken diskutiert. Einen Einstieg bietet das Non-Fungible Comic von Comic-Essayistin Julia Schneider und Künstlerin Noëlle Kröger, das die ökonomischen und technologischen Grundlagen von NFTs erklärt. Wie neue Wirtschaftsräume etabliert werden können, zeigt die Künstlerin und Programmiererin Sarah Friend auf. Als Teil des Kollektivs Circles beschäftigt sie sich mit der Frage, wie eine blockchainbasierte, gemeinschaftseigene Währung entwickelt werden kann, die sich nicht am Prinzip der Kapitalakkumulation orientiert. Geld wird als Gemeingut neu gedacht und monatlich ein bedingungsloses Grundeinkommen mithilfe von Smart Contracts ausgezahlt, das auf der xDAI Blockchain basiert. Unabhängig von Banken oder Nationalstaaten wird so ein eigenes dezentrales, ökonomisches System aufgebaut.
Der Einsatz von Blockchain-Technologien ermöglicht auch neue Räume von Gemeinschaftlichkeit in der artenübergreifenden Kooperation. Nichtmenschlichen Akteuren wird Handlungsmacht gegeben, mithilfe blockchainbasierter Codes werden die Gemeinschaft, ihr Vermögen und ihre Finanzmittel transparent und dezentral verwaltet. BeeDAO ist eine web3-Organisation, die das Wohlergehen von Bienen sichern möchte. Bienen und Menschen können der DAO beitreten, indem sie ihre Daten (proof-of-life) beisteuern oder eine NFT-Mitgliedschaft eingehen, die in Versammlungen zu Abstimmungen genutzt werden kann. Dafür können auch Delegierte über Bestäubung ernannt werden, die die Interessen vertreten und Vorschläge zur Verbesserung des Bienenlebens einbringen. terra0 ermöglicht einem Wald die digitale Selbstverwaltung. Holz und andere wirtschaftliche Erträge werden mittels Blockchain-Technologie so gesteuert, dass der Wald mit der Außenwelt über automatisierte Smart Contracts interagiert und dadurch zum einzigen An-teilseigner seiner Produktion wird. Darüber hinaus erhebt der Wald Daten über sich, mithilfe von Drohnen kann Saatgut verteilt oder ein Jäger engagiert werden, der sich um das Damwild kümmert.

Neue Formen für Aktivismus und Widerstand werden bei Künstler Egor Kraft sichtbar. Er untersucht das technologische Potenzial hinter Blockchain-Anwendungen, um die Verbreitung von Propaganda und Fehlinformationen, wie es zurzeit im Kontext des Ukraine-Kriegs passiert, zu verhindern. So hat er Prototypen entwickelt, die Journalist*innen ein blockchainbasiertes Set an Werkzeugen zur Verfügung stellen, um die erweiterten Metadaten ihres Film- und Fotomaterials aufzuzeichnen. Bereits während der Bild- und Filmaufnahmen können diese registriert und fälschungssicher gespeichert werden. Da nachträgliche Änderungen auf der Blockchain nicht möglich sind, wird so ein dezentrales öffentli-ches Beweisarchiv mit einem effektiven Faktennachweis etabliert.

Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Vermittlungsprogramm, das die Entwicklungen rund um die Blockchain, das web3 und die Metaversen, ihre Potentiale und Risiken kritisch einordnet. Das BlockLab vermittelt in Zusammenarbeit mit lokalen Partner*innen und Communities die Grundlagen der Blockchain-Technologie, hinterfragt die zentralen Konzepte Kryptographie, Dezentralität, Transparenz und Unveränderbarkeit und stellt Anwendungsbereiche bei den Vereinten Nationen, im Gaming oder in Musik-NFTs vor. Als weitere Perspektive werden lokal ansässige Unternehmen eingeladen, Bereiche vorzustellen, in denen sie bereits mit Blockchain-Technologien arbeiten. Aber auch der Energieverbrauch von Kryptowährungen und der CO2e-Abdruck sollen analysiert werden. Der Diskurs steht dabei stets im Mittelpunkt. Die lernende Ausstellung wird sich im Laufe der Zeit verändern, nicht nur, um der schnelllebigen Technologie gerecht zu werden, sondern auch um den gemeinsamen Lernprozess aufzuzeigen.
Bis 07.04.2024 im Zeppelin Museum