Judith Caspari steht derzeit als Jane bei Disneys Musical TARZAN auf der Bühne im Stage Palladium Theater in Stuttgart. Ihre bisherige Bühnenlaufbahn ist geprägt von einigen schicksalshaften Wendungen und glücklichen Zufällen. Sie startete mit einer klassischen Gesangsausbildung, wollte zur Oper. Doch dann kam alles ganz anders. Die Titelrolle für Anastasia in Stuttgart war ihr Einstieg in ihre erfolgreiche Musicallaufbahn, die sie mit Leidenschaft und Zielstrebigkeit ausfüllt. arsmondo traf die junge Künstlerin zum Gespräch und sprach über besondere Momente zwischen Bühne und Leben.
Sie spielen die Jane in der Tarzan Produktion in Stuttgart.
Wie war es für Sie wieder nach Stuttgart zu kommen?
Es hat sich tatsächlich wie Heimkommen angefühlt. Es ist die Herzlichkeit, mit der ich hier wieder empfangen wurde – ob in der Kantine oder an der Pforte. Die Menschen haben mich nicht vergessen und mit meinem Bühnenpartner (Terence van der Loo, Darsteller des Tarzan) verstehe ich mich auch sehr gut. Fünf Jahre später, das bedeutet auch einen neuen Lebensabschnitt. Ich bin jetzt Anfang dreißig und fühle mich viel reifer. Die Rolle der Anastassia in Stuttgart war mein Debut. An Stuttgart beeindruckt mich die Kultur und dass es hier immer noch zwei Musicalhäuser gibt – das ist nicht selbstverständlich in dieser Zeit. Ich bin großer Paris Fan und Stuttgart Süd erinnert mich ein wenig daran. Ich liebe diesen Stadtteil: die kleinen Läden und Cafés – ebenso den Marienplatz und die Tübinger Straße mit den vielen Secondhand Boutiquen. Immer wieder zieht es mich auch an das Teehaus am Bopser – dort gehe ich öfter joggen.
Sie haben klassischen Gesang studiert und in Opern
mitgewirkt. Ihren Weg zum Musical verdanken
Sie eigentlich dem Zufall?
Ja das stimmt! Der Weg zum Musical war nicht vorgezeichnet. Ich komme ursprünglich aus einer eher klassischen Ausbildung – Oper und Theater. Aber schon immer haben mich Musicals fasziniert – vor allem die großen und berühmten vom Broadway. Ich hätte nie gedacht, dass ich selbst einmal diese Richtung einschlagen würde, zumal ich auch keine klassische Tanzausbildung absolviert habe. Ich war zwei Jahre im Opernstudio in Gelsenkirchen und habe meinen Bachelor an der Folkwang Essen gemacht. Immer wieder wurden dort auch Musicalstücke geprobt, die ich mühelos umsetzen konnte und die mir großen Spaß gemacht haben.

Und dann kam der berühmte Zufall zu Hilfe….
Ja, oder das Schicksal: Mein Freund war damals in Stuttgart in einer Theaterproduktion engagiert und erzählte mir, dass das Anastassia Musical nach Stuttgart kommen würde. Er meinte: Bewirb dich doch. Das Stück lief zuvor bereits einige Jahre am Broadway und gehörte sofort zu meinen Lieblingstücken. Ich habe dann all meinen Mut zusammengenommen, da ich mir aufgrund meiner Ausbildung unsicher war. Bei der Audition wurde ich dann tatsächlich für die
Erstbesetzung ausgewählt. So begann meine Musical-Laufbahn.
Wie kamen Sie denn überhaupt zum Singen- hatten Sie ein musikalisches
Elternhaus?
Nein, gar nicht, ich sang aber schon immer gerne im Schulchor und mit 17 Jahren habe ich meine ersten Theatererfahrungen gemacht. Vor dem Abitur lernte ich eine wunderbare Opernsängerin kennen, die mir die Möglichkeit eröffnete, mich bei meiner Bewerbung an der Hochschule zu unterstützen, was am Ende dann auch gelang.
Haben Sie Vorbilder?
Ich bewundere unterschiedliche Menschen, konkrete Vorbilder habe ich nicht. Oder doch ja – ich bin eine engagierte Feministin und da könnte ich Simone de Beauvoir nennen. Ich mag Frauenrollen, die tatkräftig ihr Schicksal in die Hand nehmen. Und so versuche ich auch meine Rollen anzulegen – für die Jane hatte ich mich gefragt: wer ist diese Frau? Warum wagt sie sich ins Unbekannte, in den Urwald und riskiert ihr Leben für Ihre Forschung – in einer Zeit, wo ein solcher Schritt unmöglich war. Das ist ein starkes weibliches Statement, mit dem ich mich identifizieren und in das ich mich einfühlen kann.

Wie gehen Sie mit den Übergängen zwischen Bühne und Leben um?
Unser Beruf kann auch oft einsam sein. Man reist viel und ist immer wieder an fremdem Orten. Daher sind mir zwischenmenschliche Beziehungen sehr wichtig! Sie inspirieren mich, und immer wieder habe ich erlebt wie eins zum anderen führen kann. Bei Anastasia habe ich Milan van Waardenburg kennengelernt. Wir wurden beste Freunde und haben später sogar ein Album zusammen aufgenommen. Wir stehen für eine Produktion Abend für Abend auf der Bühne und da muss die Chemie einfach stimmen – so wie mit meinem aktuellen Partner in Tarzan. Darüber hinaus liebe ich es auch, auf Tour zu gehen. Der Umgang unter uns Musicaldarstellern ist sehr herzlich und es gibt einen großen Drang sich auszutauschen. Die Ansichten, die Lebenseinstellungen, die Lebenswege und Stationen. Ich bin neugierig auf Menschen, die ich treffe, und möchte mehr über sie erfahren. Dies alles empfinde ich noch immer als großes Privileg.
Haben Sie Sehnsuchtsorte?
Ich habe mit meinem Freund ein kleines Haus in Schweden gefunden und genieße es, jeden freien Moment dort zu verbringen. Es ist liegt mitten in der Natur umgeben von Wald. Im Sommer kommen Freunde und Familie zu Besuch. Wir sind ständig am Renovieren, ich bin ein Fan von bunten Wänden und von Gartenarbeit.
Wovon träumen Sie?
Ich lebe meinen Traum. Ich habe ein gut ausbalanciertes Leben. Ich würde künftig noch mehr im Ausland arbeiten, sehr gerne in Schweden oder am Broadway in New York – der Traum schlechthin für uns alle. Und ich würde gerne in einem Projekt mitwirken, dass die Formen der klassischen Oper neu denkt und revolutioniert.
Ein Beitrag von Claudia Fenkart
Judith Caspari wurde in Kassel geboren und schloss die Folkwang Universität der Künste in Essen ab.Nach ihrem Engagement im Jungen Ensemble des Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen, wo sie u.a. in ANATEVKA und der ZAUBERFLÖTE zu sehen war, stand Judith in THE SOUND OF MUSIC und WEST SIDE STORY am Staatstheater Kassel auf der Bühne. Nach ihrer Titelrolle in der Deutschlandpremiere von ANASTASIA im Stage Palladium Theater in Stuttgart „übersiedelte“ sie anschließend bis März 2020 zu CIRQUE DU SOLEIL PARAMOUR in der Neuen Flora in Hamburg. Bis August 2022 war Judith als Glinda und Nessarose in WICKED am Stage Theater Neue Flora zu sehen. Seit März 2024 steht sie im Stage Palladium Theater in Stuttgart als Jane im Disney Musical TARZAN auf der Bühne.
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