Heimkehr der legendären Kunstschätze des Königreiches Benin

Mitte Dezember 2022 reiste die baden-württembergische Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Petra Olschowski mit einer Delegation rund um Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth nach Nigeria, um dort die ersten Benin-Objekte zurückzugeben. Unter den Kunstschätzen befindet sich auch eine in Deutschland singuläre Maske aus Elfenbein. Sie stammt aus dem 16. Jahrhundert und zeigt die Königinmutter. 1897 war sie von britischen Truppen aus dem Schlafgemach des Königs Ovonramwen geraubt worden und gehört zu den sehr wenigen weltweit erhaltenen Masken dieser Art. Weitere Masken befinden sich u. a. im Metropolitan Museum in New York sowie im British Museum in London. Wie emotional diese Reise und Übergabe war, formuliert Ministerin Olschowski mit den Worten: „Es bedeutet mir sehr viel, die einzigartige Elfenbeinmaske der Iyoba Idia, der Königsmutter Idia, als erstes Objekt aus dem Stuttgarter Linden-Museum persönlich in das Land, aus dem sie stammt und wohin sie gehört, zu begleiten.“

Bundesaußenministerin  Annalena Baerbock am Flughafen von Maiduguri
Zeremonie zur Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria in Abuja, 20.12.2022.  Bundesaußenministerin Baerbock sowie Kulturstaatsministerin Roth und die baden-württembergische Kunstministerin Olschowksi (Mitte)

1897 wurde Benin City, die Hauptstadt des Königreichs Benin, Ziel eines britischen Angriffs im Rahmen der Kolonialisierung. Große Teile der Stadt wurden dabei verbrannt und zerstört. Die meisten Benin-Bronzen in den deutschen und internationalen Sammlungen wurden 1897 im Rahmen einer brutalen britischen Strafexpedition geplündert, nach Großbritannien verbracht und vom Foreign Office, Offizieren und Soldaten profitbringend verkauft. Käufer waren Privatpersonen, Museen sowie Ethnografika-Händler, die vom Zwischenhandel an Museen profitierten. Auch das Linden-Museum hat bereits 1899 über die Hälfte seiner Sammlung beim Hamburger Händler Heinrich Bey angekauft.

14.12.2022, Stuttgart: Benin-Objekte: Unterzeichnung Rückgabevereinbarung und Übergabe Elfenbeinmaske / Baden-Württemberg und Landeshauptstadt Stuttgart restituieren Objekte aus dem Königreich Benin an Staat Nigeria (Foto: MWK BW / Jan Potente)

Die Benin-Bronzen umfassen Artefakte aus unterschiedlichen Materialien. Sie sind hauptsächlich aus Bronze, aber auch aus Holz, Elfenbein und Messing. Sie wurden von Künstlern im heutigen Bundesland Edo der Bundesrepublik Nigeria seit dem 13. Jahrhundert gefertigt und schmückten den Palast des Herrschers des Königreichs Benin. Viele der Reliefs und Skulpturen erzählen die Geschichte des Landes und einige haben rituelle Bedeutung. International werden sie für ihre ausgeprägte künstlerische Qualität geschätzt.

Figurenrelief, Foto: Dominik Drasdow, Linden-Museum Stuttgart

Doch neben ihrem großen kunsthistorischem Wert geht es bei der Rückgabe um mehr: Sie sind Teil der Geschichte Benins und des heutigen Nigerias. Ihre Plünderung 1897 symbolisiert zugleich das tiefe Unrecht und die koloniale Gewalt. Baden-Württemberg bekennt sich zu seiner historischen Verantwortung bei der Aufarbeitung des Kolonialismus und zur ethisch-moralischen Verpflichtung, Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten an Herkunftsgesellschaften und -staaten zurückzugeben. Die Folgen des Kolonialismus sind bis heute sichtbar. Dies werde auch in den musealen Sammlungen des Landes deutlich, in denen sich zahlreiche Kulturgüter befinden, die in kolonialem Kontext angeeignet wurden.

Plastik, Foto: Dominik Drasdow, Linden-Museum Stuttgart

Nachdem nun die ersten Objekte nach Nigeria zurückgebracht wurden, darf ein Drittel als Leihgabe im Linden-Museum bleiben. „Ich freue mich, dass die nigerianische Seite in Aussicht gestellt hat, rund ein Drittel der Objekte als Leihgaben im Linden-Museum zu belassen. Das ist eine großzügige Geste von weitreichender Bedeutung. Über die Objekte in unseren ethnologischen Museen lernen wir die Welt besser kennen, sie verbinden uns und bringen uns die Vielfalt der Kulturen näher“, so Olschowski. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst wird die Restitution der Benin-Objekte gemeinsam mit der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Linden-Museum weiterführen und abschließen.

Reliefplatten, Königreich Benin, Nigeria, © Linden-Museum Stuttgart, Foto Harald Völkl

„Das Linden-Museum hat die Rückgabe in der Benin Dialogue Group in enger Abstimmung mit nigerianischen Partnern seit 2018 ausgehandelt und vorbereitet. Es ist schön zu sehen, dass dieser Prozess nun zu einem guten Abschluss kommt“, sagt Inés de Castro, die Direktorin des Linden-Museums Stuttgart.
Im oberen Foyer des Museums wurde vor kurzem eine Wandpräsentation mit Medienstationen unter dem Titel „Benin: Restitution als Prozess“ eröffnet. Darin zeichnet das Museum den Weg der Objekte ins Linden-Museum historisch nach, macht Stationen ihrer Rückführung nach Benin City sichtbar und stellt Perspektiven auf ihre Zukunft vor. Zu den Objekten hat das Linden-Museum zudem digital bereits umfassend Transparenz geschaffen. So sind alle Exponate in der Datenbank des German Contact Point for Collections from Colonial Contexts sowie auf Digital Benin – Reconnecting Royal Art Treasures eingestellt.
Die Restitution eröffnet aber auch neue Perspektiven für die Kooperationspartner*innen und die beteiligten Institutionen, um die Museumssammlungen über geografische Grenzen hinweg gemeinsam zu erforschen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nachfahr*innen des Königshauses, die nigerianische Bevölkerung und Besuchende können sich die Kunstwerke von Benin künftig im Edo Museum of West African Art (EMOWAA) ansehen und ihre historische wie gegenwärtige kulturelle Bedeutung an dem Ort erfahren, wo sie vor 125 Jahren geplündert wurden. Zusätzlich ermöglichen Digitalisierungsverfahren wie Fotografien oder 3D-Scans die weltweite Erforschung, Dokumentation und Vermittlung von Kunstwerken unabhängig vom Standort der Objekte.

Mehr erfahren Sie auf der Sonderseite des Linden-Museum