Seit März dieses Jahres ist Jutta Götzmann die neue Leitende Direktorin der fünf Städtischen Museen Freiburg. In der Verantwortung der promovierten Kunsthistorikerin liegt dadurch auch die Vollendung der bereits im Jahr 2004 begonnenen Sanierung und Umgestaltung des Augustinermuseums. arsmondo sprach mit ihr über ihre Vorstellungen, Ideen und Visionen in Bezug auf ihren neuen Wirkungsbereich.
Haben Sie einen persönlichen Bezug zu Freiburg?
Ich war unmittelbar vor Studienbeginn im Sommer 1989 das erste Mal in Freiburg und sofort von der Stadt fasziniert – von ihrer Lage, ihrer Atmosphäre, der hohen Lebensqualität und natürlich von dem Freiburger Münster mit dem wunderbaren Markt davor. Ich habe zusammen mit meinem Mann und meiner Mutter eine Kulturreise ins Dreiländereck unternommen und war auch in Straßburg, in Zürich und im Schwarzwald. Die fast grenzenlose Kultur- und Genussregion beeindruckte mich zutiefst: tagsüber auf den Spuren des historischen Freiburgs unterwegs sein und den Schlossberg mit seiner grandiosen Aussicht genießen und dann abends in Colmar die Küche und den Wein des Elsass‘ erproben.
Dann folgten mein Studium in Münster und meine längere berufliche Zeit in Florenz und Rom. 2008 war ich erneut mit meinem Mann in Freiburg und habe mir das begonnene Bauprojekt des Augustinermuseums angesehen. Seitdem habe ich von dem Fortgang aus der Ferne immer wieder Notiz genommen.
Welche Überlegungen waren für Sie ausschlaggebend,
um sich als Museumsdirektorin in Freiburg zu bewerben?
Ich habe gerade in den letzten Jahren aus dem Blickwinkel von Potsdam und Berlin die Entwicklung der Freiburger Museumslandschaft mit großem Interesse verfolgt. Ich kenne meinen Vorgänger Tilmann von Stockhausen über sein Engagement in Freiburg sowie seine Tätigkeit für die Fachgruppe der Museen und Kunstmuseen des Deutschen Museumsbundes. Zudem war ich von 2015 bis 2019 Jurymitglied für den Fonds „Stadtgefährten“ der Kulturstiftung des Bundes in Berlin und habe für das Freiburger Projekt „Freiburg sammelt“ votiert, das dann 2018 als Ausstellung realisiert wurde.
Mir gefällt die hohe Wertigkeit, die die Kunst und Kultur in Freiburg besitzt und die auch von der Stadtgesellschaft und der Politik entsprechend geschätzt und getragen wird. Ich habe meinen Vorgänger im Herbst 2019 zu einem Symposium unter dem Titel „Smart Cities – Smart Museums? Stadtmuseen im kulturellen Wandel“ nach Potsdam eingeladen, das ich in Kooperation mit der Kulturstiftung des Bundes veranstaltet habe.
Neben dem Ausbau der Museumslandschaft in Freiburg interessierte mich auch die Vorstellung des erfolgreich realisierten Zentralen Kunstdepots. Mit meiner Entscheidung, mich beruflich neuen Herausforderungen zu stellen, las ich im Mai 2022 überraschenderweise die Ausschreibung und musste nicht lange überlegen.
Welche Vorerfahrungen lassen sich mit ihrem neuen Tätigkeitsbereich
besonders gut verknüpfen?
Seit 1993 bin ich im Museumswesen tätig, begonnen habe ich noch zu Studienzeiten in der Dokumentation des LWL-Museums für Kunst und Kultur in Münster und kenne sämtliche Tätigkeitsprofile. Für die neue Position als Leitende Direktorin in Freiburg bringe ich sicherlich drei essenzielle Qualifikationen mit: Ich kenne die Museumslandschaft in kommunaler Trägerschaft sehr gut, da ich 14 Jahre lang als Gründungsdirektorin des Potsdam Museums die kommunale kulturpolitische Ebene mit Ausschüssen und Gremien ebenso kenngelernt habe wie die Verwaltungsstruktur. Da ich über drei Jahre den Ausbau des Museumsstandortes im historischen Zentrum begleitet und das Nutzerbedarfskonzept verfasst habe, bin ich auch mit Museumsbaumaßnahmen gut vertraut, das erleichtert meinen Einstieg in Freiburg enorm. Des Weiteren bringe ich gerade für das Augustinermuseum eine breite inhaltlich-fachliche Kompetenz mit: Ich habe über die Skulptur der Renaissance promoviert, als Kuratorin und Projektleiterin zweier Ausstellungen des Europarats zur Kunst und Kultur der Renaissance und des Barocks in Münster und Berlin betreut und 14 Jahre lang in Potsdam als Direktorin auch die Sammlungsleitung für das 19. und 20. Jahrhundert verantwortet.
Die Sanierung des Augustinermuseums mag finanziell andere Vorhaben in den Hintergrund verweisen. Eine solche Belastung hat Sie offensichtlich nicht von Ihrer Bewerbung abgehalten, sondern Sie womöglich sogar herausgefordert?
Ich kann mich noch gut an meinen Aufenthalt in Freiburg im Sommer 2008 erinnern, da war das Augustinermuseum inmitten des ersten Bauabschnitts. Ich war von dem Projekt begeistert, ist ein großartiges Gebäude und einWahrzeichen der Stadt, die Sanierung ist absolut notwendig. Natürlich wirkt sich die finanzielle Last auch auf den Kulturetat der Stadt aus. Aber greifen Sie mal zu dem Museumsführer von Hanno Rauterberg, den er für „Die Zeit“ unter dem Titel „Die schönsten Kunstsammlungen in Deutschland“ herausgegeben hat. Das Augustinermuseum ist mit dem Hinweis aufgeführt, dass die großartigen Schätze der Sammlung „aufgrund unzulänglicher Präsentationsmöglichkeiten“ lange „mehr verwahrt als ausgestellt“ waren. Dass aus „dem Augustinermuseum ein Kunstmuseum von spektakulärem Zuschnitt“ geworden ist, dürfte die Freiburgerinnen und Freiburger erfreuen. Mit Namen wie Lucas Cranach d. Ä., Matthias Grünewald, Hans Baldung Grien, aber auch Anselm Feuerbach und Hans Thoma besitzen sie eine einzigartige kommunale Sammlung, die ihre kulturelle Tradition ab dem Mittelalter hochwertig repräsentiert. Zusammen mit dem Team werde ich meine Energie auf die erfolgreiche Fortführung des 3. Bauabschnitts richten, um das höchst attraktive Museum mit seiner Fertigstellung regional und überregional bis weit über den Oberrhein hinaus zukunftsorientiert auch für die nächsten Generationen auszurichten.
Wie sieht Ihre „Bestandsaufnahme“ mit Blick auf die weiteren Freiburger Museen aus?
Sehr positiv. Die Häuser haben hochqualifizierte Leitungen, hervorragende Sammlungen und resonanzstarke Ausstellungen, was die Jahresbilanz 2022 und die deutlich gestiegenen Besuchszahlen nach den Corona-Jahren belegen. Auch die digitale Ausrichtung ist weit fortgeschritten. Eine intensive Auseinandersetzung kann aber erst in den ersten Monaten meiner Amtszeit erfolgen. Ich freue mich, dann Impulse im Sinne der Zukunftsorientierung zu setzen und mit den Direktorinnen der Häuser die Attraktivität der Städtischen Museen Freiburg auch mit Blick auf die Niedrigschwelligkeit, Partizipation und Diversität weiter voranzutreiben.
Welche Schwerpunkte stehen für die Freiburger Museen vorrangig auf Ihrer Agenda?
Für das Augustinermuseum liegt die absolute Priorität auf der erfolgreichen Fortführung und Fertigstellung des 3. Bauabschnitts. Das beinhaltet natürlich auch die Planung und Realisierung der entstehenden Präsentationsflächen. Ich sehe für das Museum eine große Chance darin, dass die stadtgeschichtliche Sammlung als aktuelle, permanente Ausstellung im Augustinermuseum die Kunst und Kulturgeschichte ergänzen wird. Zudem kommt die Schatzkammer als weiteres Highlight mit sehr wertvollem Kulturgut hinzu. Des Weiteren gilt es natürlich für dieses Haus, die inhaltliche Ausstellungs- und Programmplanung für die nächsten Jahre zu entwerfen und im Verbund abzustimmen.
Abgesehen vom Augustinermuseum ist eine mittelfristige Planung für die weiteren Häuser der Städtischen Museen Freiburg erforderlich. Auch Themen wie die Sichtbarkeit und Wahrnehmung der Häuser in der Stadt, in der Region und überregional werden – ebenso wie die Aufenthaltsqualität und das Marketing – in den Betrachtungen des ersten Jahres für eine strategische Zukunftsausrichtung wichtig sein.
Können Sie im Vorfeld Visionen ausmachen, die Ihre Tätigkeit in Freiburg besonders antreiben?
Die Leitende Direktion ist eine Amtsleiterinnenstelle für einen Museumsverbund – das bietet eine enorme Sammlungsvielfalt und lässt das „Denken über den Tellerrand“ zu. Ich würde gerne die unterschiedlichen Häuser und Museumsdisziplinen in ihrer Wahrnehmung stärken und häuserübergreifende Projekte im Verbund entwickeln. Mit der Fertigstellung des Augustinermuseums sollen die Freiburger Museen in ihrer Strahlkraft regional wie überregional noch stärker als Marke der reichen Kulturregion des Oberrheins etabliert werden. Museen sind mehr denn je gefordert, gegenwartsbezogene Themen zu präsentieren, um als relevante Kulturinstitutionen auf den gesellschaftlichen Wandel zu reagieren. Diese Impulse sind mir bei der künftigen Ausrichtung der Freiburger Museen ein wichtiges Anliegen.
Das Interview führte Kornelia Stinn
Aktuelle Ausstellungen
Augustinermuseum:
Bis 11. Juni 2023: Freiburg und Kolonialismus: Gestern? Heute!
22. Juli 2023 – 24. März 2024: Wilhelm Hasemann und die Erfindung des Schwarzwalds
Museum für Neue Kunst:
7. April – 10. September 2023: Bis die Bude brummt – 30jähriges Jubiläum des Fördervereins Museum für Neue Kunst
Haus der Graphischen Sammlung im Augustinermuseum:
bis 14. Mai 2023: Kammerspiel: Die Sammlung Gabriele Rauschning
24. Juni – 17. September 2023: Verwandlung der Welt – Meisterblätter von Hendrick Goltzius
28. Oktober 2023 – 14. April 2024: Erinnerungen schaffen: Japanische Fotografien
12. – 19. November: Festwoche zum 100. Geburtstag des Augustinermuseums
Weitere Info:www.freiburg.de/museen.
Jutta Götzmann - Biografische Stationen 1965 im westfälischen Ascheberg geboren, studierte Jutta Götzmann Kunstgeschichte, Deutsche Philologie und Erziehungswissenschaft an der Universität Münster. 2002 promovierte sie im Fach Kunstgeschichte. Als Kuratorin und Projektleiterin arbeitete sie u.a. am LWL Museum für Kunst und Kultur in Münster, am Deutschen Historischen Museum in Berlin, an der Universität in Münster und dem Kulturhistorischen Museum Magdeburg. Von 2008 bis Februar 2023 war sie Direktorin des Potsdam Museums – Forum für Kunst und Geschichte. Dort leitete sie die Sammlung für die Kunst vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart mit den Abteilungen Skulptur, Malerei und Grafik. Im März 2023 übernahm sie die Gesamtleitung der fünf Städtischen Museen Freiburg in Personalunion mit der Leitung des Augustinermuseums. Die von ihr kuratierten Ausstellungen vom europäischen Barock bis in die Gegenwart sorgten für überregionale Aufmerksamkeit, ebenso ihre zahlreichen Veröffentlichungen zur Alten wie zur zeitgenössischen Kunst.