Kafkas Echo

Ohne Zweifel gehört Kafka heute zu den meistgelesenen, aber auch zu den nach wie vor rätselhaftesten Autoren der Weltliteratur. Das Deutsche Literaturarchiv Marbach will in seiner Ausstellung Kafkas Echo anhand von Originaldokumenten und mit bislang Ungezeigtem aus dem Archiv aus seiner Zeit heraus betrachten und zugleich in unsere Gegenwart hineinversetzen. Dabei wirft sie Schlaglichter auf Kafkas Herkunft und sein Leben im Prager Schmelztiegel, auf seine Lektüren und Verfahren, seine Wort- und Bildwelten.

Franz Kafka vor dem Haus der Familie am Altstädter Ring in Prag, 1922. Foto: DLA Marbach.

Kafka steht wie wenige Autoren für ein existenzielles Schreiben, das Leser/-innen und Rezipient/-innen weltweit anspricht. Jede Generation fühlt sich neu von ihm provoziert, jede Generation sucht daher nach eigenen Zugangswegen zu ihm und seinem Werk, nach neuen Formen der Aneignung.

Friedrich Feigl: Kafka liest den »Kübelreiter«. Tuschzeichnung, London Mai 1946. Foto: DLA Marbach.

Am 3. Juni 2024 jährt sich Kafkas Todestag zum 100. Mal. Aus diesem Anlass tun sich die drei Einrichtungen, die weltweit die größten Kafka-Bestände verwahren, die National Library of Israel, die Bodleian Libraries Oxford und das Deutsche Literaturarchiv Marbach, zusammen, begreifen in Ausstellungen und Veranstaltungen Kafka als globalen Autor und setzen dabei zugleich sein Werk in je lokale Kontexte.
Vor allem aber spürt die Ausstellung der Kafka-Lektüre und der produktiven und künstlerischen Rezeption seiner Werke nach, indem sie sich die Frage stellt: Wer war eigentlich dieser Kafka, diese »außergewöhnliche und tiefe Welt«, als die ihn Milena Jesenská in ihrem Nachruf bezeichnete?

Zwei Wochen nach Kafkas Tod rechtfertigt Max Brod (1884–1968) in der ›Weltbühne‹ seinen Entschluss, entgegen dem Wunsch seines Freundes dessen Nachlass nicht zu vernichten, sondern zu sammeln und herauszugeben. 1966 hielt er fest, was er vorfand, als er mit Zustimmung und auf Bitten der Erben alle Papiere ordnete. – Tucholsky-Archiv Marbach, Sammlung Hartmut Binder. Foto: DLA Marbach (Jens Tremmel).
Franz Kafka: Beginn der Türhüter-Legende (»Vor dem Gesetz«) im Manuskript des Romans »Der Prozess«. Foto: DLA Marbach.

Gezeigt werden Manuskripte, Briefe, Fotos und Erinnerungsstücke von Kafka aus den Beständen des DLA – darunter Der Prozess und kleinere Erzählungen wie Richard und Samuel und Der Dorfschullehrer sowie Briefe u. a. an Grete Bloch (und indirekt über sie an Felice Bauer), Max Brod, Josef David, Willy Haas, Milena Jesenská, Ottla Kafka, Hedwig Weiler und Felix Weltsch. Ergänzt werden sie durch Erinnerungs-, Lese- und Rezeptionsspuren, die sich in den Archivbeständen und Autor/-innen-Bibliotheken von Kafkas Zeit bis zur Gegenwart finden. Die Handschriften und Lebenszeugnisse Kafkas werden also konfrontiert mit Manuskripten, Briefen, Büchern und Dokumenten etwa von Ilse Aichinger, Hannah Arendt, Max Bense, Hans Blumenberg, Paul Celan, Peter Handke, Hermann Hesse, Siegfried Kracauer W. G. Sebald und Martin Walser. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch der Vorlass des Kafka-Forschers Hartmut Binder, der dem DLA neben Originalfotografien von Kafka, seinen Eltern und seiner Schwester Ottla die Sammlung der oft seltenen ›verlorenen Bücher‹ Kafkas übergeben hat.
In einem ›Kafka-Lab‹, das im Rahmen einer Forschungskooperation mit dem Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen entsteht, kann man mit einer VR-Brille eintauchen in das ›Manuskript-Universum‹ von Kafkas Prozess. Man wird angeregt zum Nachdenken über Kafkas Stil, indem man anhand eines Korpus, das aus originalen Textstellen und KI-generierten ›Kafka-Texten‹ besteht, entscheiden kann: Ist es Kafka oder nicht?

Blick in die Ausstellung ›Kafkas Echo‹. Foto: DLA Marbach (Jens Tremmel).
Blick in die Ausstellung ›Kafkas Echo‹. Foto: DLA Marbach (Jens Tremmel).
Blick in die Ausstellung ›Kafkas Echo‹. Foto: DLA Marbach (Jens Tremmel).

Kafkas Echo
Ausstellungs- und Forschungsprojekt
12. Mai 2024 bis 26. Januar 2025
www.dla-marbach.de
Deutsches Literaturarchiv Marbach
Museum
Schillerhöhe 8-10
71672 Marbach