100 Jahre Pierre Boulez

Jahrhundert-Künstler, Gentleman und Visionär – 2025 wäre der Komponist, Dirigent und Musik-Philosoph Pierre Boulez 100 Jahre alt geworden. Er gehörte zu jenen Persönlichkeiten, die die Musikwelt nachhaltig verändert haben. Das Festspielhaus Baden-Baden, die Stadt Baden-Baden und weitere Institutionen würdigen ihn mit einem umfangreichen Programm.

Pierre Boulez © Harald Hoffmann/Deutsche Grammophon

Pierre Boulez lebte und arbeitete über 60 Jahre in Baden-Baden, 2016 starb er auch hier im Alter von 90 Jahren. Boulez galt als nahbar, war selbst ein eifriger Konzertgänger, jemand mit dem man sich gerne unterhielt und austauschte. Die Stadt verlieh ihm 2004 die Goldene Ehrenmedaille und 2015 die Ehrenbürgerschaft. Sein Grab befindet sich auf dem Baden-Badener Hauptfriedhof. „Pierre Boulez spielte als Dirigent, Komponist und Kultur-Denker eine herausragende Rolle im 20. Jahrhundert. Ob als Chefdirigent in London, New York oder als Musikpädagoge: Er veränderte die Musikwelt und das Denken über die Musik. Bis heute bauen wir auf vielen seiner Ideen auf“, so Benedikt Stampa Leiter des Festspielhaus Baden-Baden.

Das Geburtstagsfest am 26. März wartet demgemäß mit einem festlichen Bühnenprogramm im Festspielhaus auf. Mit dabei sind die Würth Philharmoniker, Studierenden und Zeitzeugen. Außerdem wird der Platz vor dem Festspielhaus an diesem Tag in „Pierre-Boulez-Platz“ umgetauft.

Pierre Boulez, der eigentlich erst Mathematik und technische Wissenschaften studieren wollte, wurde 1943 Kompositionsschüler von Olivier Messiaen am Pariser Konservatorium. Danach leitete er verschiedene Ensembles in Frankreich. 1952 kam erstmals zu den Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt. Dort wirkte er später auch als Dozent und als Dirigent des Darmstädter Kammerensembles. 1954 gründete er in Paris die Konzertreihe Domaine Musical, die er bis 1967 leitete, und wurde Gastdirigent des Südwestfunk-Orchesters in Baden-Baden.

Neben den Komponisten Karlheinz Stockhausen und Luigi Nono gehörte Pierre Boulez ab Mitte der 1950er Jahre zu den herausragenden Vertretern der musikalischen Avantgarde, speziell der seriellen Musik. In seinen Kompositionen verband Boulez Rationalität und Logik mit den poetischen Traditionen der französischen Musik, insbesondere des Impressionismus. Seine erste Schaffensphase war von einer äußerst kritischen Einstellung zum eigenen Werk wie zu den Kompositionen anderer geprägt. So störte er mehrfach mit Gleichgesinnten Aufführungen konservativerer Kollegen und zog zahlreiche Frühwerke wieder zurück. Aber auch später überarbeitete er seine älteren Werke immer wieder, so dass sie kaum endgültige Form erreichten, sondern immer nur Stufen eines kompositorischen Entwicklungsprozesses darstellten.
Als Wagner-Dirigent sorgte er immer wieder für Aufsehen – er modernisierte die Aufführungspraxis – weg von schleppenden schwerfälligen Tempi – zugunsten von Lebendigkeit und Dynamik. Seine Parsifal-Aufführung 1967 war diejenige mit der kürzesten Spieldauer für dieses Werk in Bayreuth. Das Festprogramm beginnt daher folgerichtig mit einer Verwandlung des Festspielhauses in ein riesiges „Opern-Kino“. Gezeigt wird vom 23. bis 26. Januar 2025 der von Pierre Boulez in Bayreuth 1976-1980 dirigierte „Jahrhundertring“, Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ in voller Länge. Pierre Boulez und der damals junge französische Regisseur Patrice Chereau sorgten mit ihrer Inszenierung zunächst für einen Theater-Skandal, der sich im Laufe der Jahre zu einem großen Triumph entwickelte.

Kaum ein bekanntes Orchester an dessen Pult Boulez nicht gestanden hätte – das Cleveland Orchestra, BBC Symphony Orchestra und 1971–1977 als Nachfolger von Leonard Bernstein das New York Philharmonic Orchestra, die Berliner Philharmoniker und die Wiener Philharmoniker und er war regelmäßiger Gast in Bayreuth und bei den Musiktagen Donaueschingen, wo auch einige seiner Werke aufgeführt wurden.

Pierre Boulez ist jedoch nicht nur durch seine Werke, sondern auch durch die von ihm maßgeblich vorangetriebene Gründung des IRCAM (Institut de recherche et coordination acoustique/musique) eng mit dem Begriff der Live-Elektronik verbunden. Dabei werden Instrumentalklänge oder Gesangsstimmen in Echtzeit manipuliert oder durch elektronische Klänge angereichert. Am 5. Juni werden in einem Konzert Werke erklingen, in denen die Möglichkeiten der Live-Elektronik auf verschiedene Weise erkundet werden.

Weitgereist umtriebig neugierig. Wissen und Erfahrung weiterzugeben war ihm auch als Lehrer wichtig – er wirkte u.a. an der Musikakademie in Basel und an der Harvard University in den USA.

Boulez Vielseitigkeit unterstreichen auch die unterschiedlichen Formate des Jubiläums.

  • Eine neue Filmdokumentation über Pierre Boulez wird es geben, ebenso ein großer Themenabend bei SWR2 zu Leben und Werk.
  • Bei einem Stadtspaziergang unter dem Motto „Finding Pierre“ werden in 6 Stationen die 6 Buchstaben B O U L E Z mit QR-Codes versehen und vor verschiedenen Institutionen in Baden-Baden zwischen Festspielhaus und Stadtmuseum aufgestellt. Hinter jedem QR-Code verbirgt sich ein Video über eine andere Facette von Boulez` Leben und Werk. Foto-Ausstellung von Simone Demandt würdigt dem Künstler im Stadtmuseum Baden-Baden (ab 30. Mai 2025)
  • Bei den Pfingstfestspielen Baden-Baden kommt ein Kaleidoskop seiner Werke zur Aufführung u.a. mit dem SWR-Sinfonieorchester, dem London Symphony Orchestra, dem Ensemble Intercontemporain, Paris, dem Ensemble Recherche Les Siecles, Paris und mit dem Pianisten Pierre-Laurent Aimard (Konzert und Meisterklasse). Auch ein Glockenkonzert ehrt den Jubilar: Das Auftragswerk, das das Festspielhaus Baden-Baden an Alexander Grebtchenko, Freiburg vergeben hat, wird vom 31.Mai bis 9.Juni täglich um 15 Uhr in der Innenstadt Baden-Baden zu hören sein. Das Museums Frieder Burda plant ebenfalls Programmpunkte unter dem Titel Pierre Boulez und Paul Klee.

Weitere Informationen und das gesamte Programm: www.festspielhaus.de,
Tel.07221 / 30 13 101, das Gesamtprogramm ist auf
der Website „Boulez 100“ zu finden.